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Die neue Imagekampagne für Chemnitz wird heftig diskutiert. Michael Quast, Chef der städtischen Citymanagement und Tourismus GmbH steht dabei im Kreuzfeuer der Kritik. Im 371-Interview zeigt er sich kämpferisch.
Herr Quast, macht Ihnen ihr Job noch Spaß?
Ja, na klar. Wieso sollte er das nicht? Chemnitz ist eine schöne Stadt mit viel Potenzial und ich trage gerne dazu bei, damit sie noch bekannter wird in Deutschland.
Aber Ihnen bläst gerade gehöriger Gegenwind ins Gesicht. Glaubt man den hiesigen Tageszeitungen und einschlägigen Chemnitz-Foren, so stößt Ihre „Stadt der Moderne“-Kampagne auf große Ablehnung. Beunruhigt Sie das?
Nun, es ist ja nicht „meine“ Kampagne. Aber natürlich bin ich auch mit in der Verantwortung. Die Imagekampagne wurde von der Stadt Chemnitz beauftragt und finanziert, die CMT hat zunächst den Bereich der Souvenirs übernommen. Grundsätzlich finde ich es gut, dass darüber geredet und auch gestritten wird. Die zum Teil hoch emotional aufgeladenen Äußerungen zeigen ja, wie wichtig das Thema ist. Ich würde mir jedoch wünschen, dass auch die vielen positiven Rückmeldungen, die wir erhalten, gehört werden.
War es ein Fehler, eine eher auf Außenwirkung zielende Werbung ausgerechnet zuerst intern, also in Chemnitz zu plakatieren?
Die Plakate sind auch auf Innenwirkung angelegt. Sie vermitteln neue Sichtweisen auf Chemnitz. Warum sollen nicht auch einmal die Chemnitzerinnen und Chemnitzer ihre Stadt aus einem anderen Blickwinkel als bisher betrachten? Wir wollen sie in ihrem Stolz auf ihre Heimatstadt bestärken und sie ermutigen, nach außen als „Botschafter ihrer Stadt“ aufzutreten.
Die weiteren Aktionen wie der Fotowettbewerb „Erzähl von Deiner Stadt“ und der Info-Kubus, in dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung zur Stadt der Moderne äußern, sind Aufforderungen zum Dialog und zur Beschäftigung mit Chemnitz.
Es gibt wohl keine Stadt, in der so heftig über das Stadtmarketing gestritten wird. Schon ihre Vorgänger wurden diesbezüglich mit Schimpf und Schande überzogen. Wie erklären Sie sich das?
Die CMT verantwortet für die Stadt Chemnitz das touristische Marketing und das City-Management, nicht das Stadtmarketing. Daher hat auch die Stadtverwaltung die Imagekampagne angestoßen, denn sie umfasst mehr Bereiche als nur Tourismusmarketing. Die Diskussion über das Stadtmarketing ist im Übrigen nicht ungewöhnlich. Ich finde es auch gut, dass man über den richtigen Weg diskutiert, das zeigt ja auch, dass die Bevölkerung sich mit dem Thema auseinandersetzt. Die Arbeit meiner Vorgänger möchte ich nicht kommentieren
Als 2007 im Zuge der Autobahnbeschilderung erstmals der „Stadt der Moderne“-Slogan propagiert wurde, war der Aufschrei ähnlich groß. Hat sich Ihrer Meinung nach die Akzeptanz seitdem gewandelt?
Die „Stadt der Moderne“ wurde bereits 2004 im Kulturentwicklungsplan verankert und daraufhin vom Stadtrat beschlossen. Durch die Autobahnschilder (übrigens auch 2007 im Stadtrat bestätigt) erfolgte eine öffentliche Positionierung mit dem Ziel, die „Stadt der Moderne“ als Marke zu etablieren. Seither bin ich mit vielen Menschen in die Diskussion gekommen. Die Gespräche zeigen mir deutlich, dass heute mehr Bürgerinnen und Bürger verstehen, was mit der Stadt der Moderne gemeint ist. Wir haben durch die Homepage www. StadtderModerne.de und durch viele Aktivitäten wie z.B. Gästeführungen weiter darüber informiert. Überregional kommt das Motto übrigens gut an. Bundesweit verbinden inzwischen viele Menschen Chemnitz mit der Stadt der Moderne.
Kritiker merken immer wieder an, dass sich der Slogan zu sehr auf die Errungenschaften der Jahrhundertwende bezieht und Chemnitz aktuell wenig für ein wirklich modernes Stadtimage tut. Nun sind sie kein Politiker, können also diese Entwicklung kaum beeinflussen. Fühlen sie sich da manchmal als Prügelknabe für die politischen Versäumnisse anderer?
Chemnitz war nicht nur in der Vergangenheit modern, sondern ist es auch in der Gegenwart. Die Moderne zieht sich in Chemnitz durch alle Bereiche. Das Stadtbild ist geprägt von der Architektur der Klassischen Moderne im frühen 19. Jahrhundert. In dieser Zeit blühte auch das kulturelle Leben der Stadt auf, die Gründung der Kunstsammlungen Chemnitz und der Oper geht auf diese Zeit zurück. Heute können wir zeitgenössische Kunst im Museum Gunzenhauser betrachten oder moderne Aufführungen in der Oper und im Theater besuchen. Mit dem traditionellen Erfindergeist der Bevölkerung bietet Chemnitz aber auch einen hervorragenden Nährboden für die High-Tech-Entwicklungen des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die Stadt knüpft heute an ihre über 150-jährige Tradition als Zentrum des Maschinenbaus an und entwickelt sich mehr und mehr zu einem führenden Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschlands. Dafür sind nicht nur die Technische Universität und eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen ein Beleg. Auch die seit der Wende stetig gewachsene mittelständisch geprägte Industriestruktur der Stadt lebt von ständiger Innovation und Erneuerung. Nicht zuletzt verfügt Chemnitz über eine der modernsten Innenstädte Europas, die von manchen mit dem Potsdamer Platz in Berlin verglichen wird, weil zum Teil die gleichen Architekten mitgewirkt haben. Das sind nur einige der zahlreichen Facetten der Stadt der Moderne, sicher könnte man hier noch vieles ergänzen. Insofern finde ich schon, dass die Marke „Stadt der Moderne“ auch eine stark zukunftsgerichtete Seite hat.
Als nächste Stufe der Kampagne startet nun der „Erzähl von deiner Stadt“-Fotowettbewerb. Was soll mit den eingesandten Fotos passieren?
Ich gehe davon aus, dass viele interessante Motive und Ansichten von Chemnitz aus teilweise sicher ungewöhnlichen Perspektiven eingereicht werden, die wir auch für unsere Chemnitz-Werbung einsetzen können. Ich freue mich auf neue Anregungen.
Die Freie Presse hat gerade zahlreiche Chemnitzer Werbeagenturen aufgefordert, ihre Vermarktungsideen für Chemnitz vorzustellen. Sind Sie auf die Ergebnisse gespannt? Werden Sie sich davon in Ihrem Weg beeinflussen lassen?
Ich bin offen für jede gute Idee, die uns hilft, Chemnitz als Stadt der Moderne weiter zu positionieren, immer her damit.
Glauben Sie, die Chemnitzer noch mit Ihrem „Stadt der Moderne“-Slogan versöhnen zu können? Und wenn ja, wie?
Noch einmal: Es ist nicht „mein“ Slogan, ich habe ihn von den Chemnitzer Kulturleuten adaptiert, weil er gut und passend für die Vermarktung von Chemnitz ist. Ich stehe aber voll hinter dieser Marke und bin sicher: Je mehr sich damit beschäftigen, desto mehr wird sie verstanden und akzeptiert. Die aktuelle öffentliche Diskussion zeigt ja den Wunsch der Chemnitzerinnen und Chemnitzer, dass ihre Stadt anziehend und lebenswert auch in der Außensicht empfunden wird. Die „Stadt der Moderne“ bietet dafür zahlreiche Argumente. Überzeugend wirken diese aber nur, wenn sie auch von der Bevölkerung mitgetragen und in einer einheitlichen Sprache sowohl „offiziell“ durch die Stadt als auch von ihren Bürgerinnen und Bürgern nach außen getragen werden. Deswegen bitte ich die Chemnitzerinnen und Chemnitzer, sich konstruktiv und kreativ in die Diskussion über die Marke „Stadt der Moderne“ einzubringen und daran mitzuwirken, dass sie ein Erfolg wird.
Interview: Lars Neuenfeld, Foto: Andre Koch
Erschienen im 371 Stadtmagazin 07/09