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Letzte Frage im Juni

Herr Kummer weiß Antwort

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Lieber Herr Kummer, der Chemnitzer Stadtrat hat eine weitreichende Videoüberwachung der Chemnitzer Innenstadt beschlossen. Das beflügelt meine Idee, mir mehrere Kameras an den Kopf zu heften, um so als quasi wandelnde Sicherheitsboje Verbrechen auch ortsunabhängig dokumentieren zu können. Kann ich die so gesammelten Aufnahmen einfach per Downloadlink an die Polizei senden? Und steht mir dann auch eine Aufwandsentschädigung zu?

Vielen Dank für diese Frage. Nach munterem Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern hat der Chemnitzer Stadtrat vor kurzem tausende Euro für die Einführung einer Videoüberwachung in Teilen der Innenstadt bewilligt. Von dem Geld sollen 38 Kameras an Orten installiert werden, die als Kriminalitätsschwerpunkte gelten. Dazu gehören unter anderem die Zentralhaltestelle und der aus Sicherheitsgründen bereits teilgerodete Stadthallenpark.

Es geht also wieder einmal um die liebe Sicherheit. Mit diesem komplexen Thema hatten wir uns in dieser Rubrik schon öfter befasst. Einig sind wir uns sicherlich in der Einschätzung, dass es wichtig ist, immer erst die Symptome zu bekämpfen und nicht die Ursachen. Wenn man zum Zahnarzt geht sollen ja auch zügig die Zähne repariert werden, keiner will einen Vortrag übers Rauchen, über Zuckerkonsum oder mangelnde Mundhygiene hören. Dein Vorschlag, als Sicherheitsboje unterwegs zu sein, setzt an der richtigen Stelle an. Allerdings sollten in Chemnitz, Stadt der Moderne, keine Kameras an den Kopf geheftet werden.

Ich empfehle stattdessen die völlig zu Unrecht verteufelte Datenbrille Google Glass. Leider wehren sich manche Datenschützer gegen die Einführung der Brille, weil sie in der Lage ist, unauffällig die Umgebung des Trägers zu observieren. Die ewigen Nörgler maulen auch darüber, dass mit den Aufzeichnungen nicht die Polizei belästigt werden muss sondern alles auf Google-eigene Server übertragen wird. Ich finde, private Unternehmen, städtische Behörden, die Polizei aber auch jeder Bürger sollten gleichberechtigt versuchen, Verbrechen und Verbrecher zu dokumentieren.

Einfach wird das nicht, die Situation erinnert ein bisschen an Naturfilmer, die unbedingt das Leben eines ultra-seltenen Albinonashorns oder einer Zwergfaultier-Familie aufzeichnen wollen. Das Risiko, im öffentlichen Raum von Chemnitz Opfer einer Straftat zu werden, nimmt in den letzten Jahren kontinuierlich ab und ist derzeit so gering wie seit den 90er Jahren nicht mehr. Unsere Stadt zählt ohnehin zu den sichersten Großstädten Deutschlands. Diese Umstände machen die Jagd nicht einfach.

Um einen der raren Verbrecher filmen zu können, braucht es Geduld. Man muss sich sehr, sehr lange auf die Lauer legen. Sollte man dann irgendwann tatsächlich einen Verdächtigen vor der Fotolinse haben, ist Mobilität von Vorteil. Möglicherweise muss dem potentiellen Täter Stunden oder sogar Tage nachgestellt werden, bis es zu einem dokumentierungswürdigen Verbrechen kommt. Die von der Stadt installierten, unbeweglichen Kameras sind für die Jagd unbrauchbar. Sie erinnern mich an altmodische Fotofallen, in die vielleicht ein streunender Wolf auf einem brandenburgischen Truppenübungsplatz tappt, niemals aber ein menschlicher Verbrecher. Wenn einem als wandelnde Sicherheitsboje dann nach langer Jagd, Kälte und Nässe, nach unzähligen, durchwachten Nächten, kilometerlangen Patrouillengängen ein echter Verbrecher ins Netz beziehungsweise in die Kamera gegangen ist, fragt man sicher nicht nach einer Aufwandsentschädigung. Der Jagderfolg ist Belohnung genug.

Foto: by_Dieter Schütz_pixelio.de

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