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Letze Frage im Juni

Letzte Frage im Juni: Herr Kummer weiss Antwort

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Lieber Herr Kummer, dass die Reise per Flugzeug klimamäßig kaum Gutes mit sich bringt ist nichts Neues. Die Welt kennenzulernen ist jedoch ein effektives Mittel, um Toleranz zu fördern und Angst vor dem Fremden abzubauen. Sollte man zugunsten des Umweltschutzes nur noch Ostseeurlaub machen, Auslandssemester in Bayern genießen und sich über ferne Länder nur noch Dokus anschauen? Oder heiligt der Zweck das Kerosin?

Was kann nicht alles „die Welt“ sein! Für manche ist es schon das Kinderzimmer oder die schöne Wohnung, für andere hört die eigene Welt mit den Grenzen eines Stadtteils oder einer Kommune auf. Um das Fremde kennenzulernen, muss man keine Flugreise antreten. Ich war noch nie in Zittau und wenn jemand Erzgebirgisch spricht, verstehe ich kein Wort. Man kann sich selbstverständlich Dokus über ferne Länder anschauen, dadurch läuft man nicht Gefahr, an den meisten Orten als peinlicher Wohlstandstourist unterwegs zu sein. Lernt man denn wirklich Land und Leute kennen, wenn man mit seinen Ansprüchen und kulturellen Hintergründen in einem fernen Ort vom Flugzeug ausgespuckt wird und versucht, sein kosmopolitisches Bewusstsein zu erweitern, während die Einheimischen meist mit völlig anderen Problemen zu kämpfen haben.
Martha Gellhorn, eine frühe Flugreisende, Autorin und Lebensgefährtin von Ernest Hemingway, die ihr Leben lang unterwegs war, beklagte sich selbstironisch unentwegt über Latrinengestank, schleimiges Abhusten ihrer Reisegefährten und fleckige Bettlaken in fremden Ländern. Reisen bedeutete bei ihr „Höllenfahrten“ und ihr Credo lautete: »Egal, wie grauenhaft die letzte Reise auch war, wir geben nie die Hoffnung auf, dass es bei der nächsten klappt.« Bei ihren Reisebeschreibungen bekommt man eine Ahnung, dass sich diese unerschrockene aber ignorante Dame eigentlich ein Afrika ohne Afrikaner und ein China ohne Chinesen erträumt. Die Eingeborenen nerven nämlich immer. Wollen wir auch schleichend zu einer Gellhorn werden?

Überhaupt, ehrlich gesagt gehören wir zu einer, global betrachtet, winzigen Kaste, die sich den Luxus von Flügen leisten kann. Haben wir das Recht, das Klima so sehr zu verändern, dass es alle Erdbewohner in Mitleidenschaft zieht? Wenn man beispielsweise von Frankfurt nach Sydney und zurück fliegt, verbraucht man ungefähr so viel CO 2, wie der Durchschnittsdeutsche in einem Jahr mit allen Autofahrten, mit Heizen und Nahrungsmittelkonsum inklusive. Für den unbedenklichen Flugverkehr gibt es derzeit noch keine technische Lösung, wie problemlose Biotreibstoffe, oder der Null-Emissions-Flieger. Wer Umweltschutz ernst nimmt, sollte bis zur Markteinführung des Elektroflugzeugs tatsächlich nur noch Ostseeurlaub machen, im Spreewald paddeln und in Bayern wandern. Bei der Gelegenheit kann man Toleranz gegenüber Trachtenträgern trainieren und versuchen, Ängste vor an Brandenburger Tankstellen herumlungernden Jugendlichen abzubauen.

Touristische Flüge sind zu nichts gut, jeder weiß das, aber normale Menschen sind nicht immer korrekt und diszipliniert und das ist ja auch ganz sympathisch. Wer also unbedingt nach Ibiza reisen möchte, um mit einer russischen Oligarchin zu plaudern oder dringend mit Delfinen in Polynesien schnorcheln muss, kann die Abgase der Flugreise immerhin kompensieren. Reisenden mit schlechtem Gewissen werden von Organisationen wie Atmosfair oder Primaklima Ausgleichszahlung angeboten. Mit dem Geld werden zum Beispiel Aufforstungen im Regenwald oder der Einsatz von Solarlampen in Afrika finanziert. Die Idee ist, dass an anderer Stelle dieselbe Menge CO 2 eingespart wird, die der Flug-Reisende verbraucht hat. Kompensation heilt Kerosin!

Foto: by_Joerg_Henkel_Hamburg_pixelio.de

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