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Letzte Frage im Februar

Letzte Frage im Februar 2019: Herr Kummer weiss Antwort

Veröffentlicht am:

Lieber Herr Kummer,
mit großem Interesse verfolge ich die Debatte um den Spiegel-Autor Claas Relotius und dessen teils erfundenen Reportage-Details. Wie ist das bei Ihnen und diesem Magazin? Können Sie als ebenfalls angesehener Autor reinen Gewissens sagen, dass Ihre und die Beiträge von Kolleginnen und Kollegen hier immer frei von solchen Verfehlungen waren?

Der Fall Claas Relotius hat unter Journalisten und Lesern eine große Diskussion ausgelöst. Der Autor hatte Teile seiner vielfach ausgezeichneten Reportagen gefälscht. Überraschung und Entsetzen waren die Folge. Aber mal ehrlich, Claas Relotius? So heißt doch kein Mensch, da fängt der Schwindel doch schon an. Wer ist so naiv und stellt Leute mit solchen unseriösen Namen ein? Hätte ich mich beispielsweise Reez Reptilius oder Muuz Mengenitis genannt, wären bei den erfahrenen Leitern eines gutgeführten Medienhauses doch sofort die Alarmklingeln angegangen, ich wäre beim 371 nicht mal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden.

Seit fast 50 Jahren gibt es nun schon dieses Magazin. Die Redaktion, dieser Tag und Nacht tätige, unentwegt schaffende Bienenstock ist untergebracht in einem Fabrikloft nahe der pulsierenden Chemnitzer Bahnhofstraße. Hier arbeitet das vielgerühmte, wie es der Bremer Kulturstaatsrat Dr. Jens Knopge erst kürzlich so treffend beschrieb „Bollwerk des Journalismus“, dieses nach seinen Worten „Sturmgeschütz auf dem Schlachtschiff der Demokratischen Öffentlichkeit“. Der ehemalige Verlagsdirektor und Gründer des 371 Hans W. Hoff formulierte bereits 1972: „Wenn man unser Journal liest, dann stets mit großem intellektuellem Gewinn und der Gewissheit niemals belogen zu werden.“ Diesen Anspruch, diese Selbstverpflichtung hat jeder der 371-Beschäftigten verinnerlicht. Wichtig für ein fehlerfreies journalistisches Arbeiten ist aber auch eine selbstkritische Redaktion, die immer in der Lage ist, sich selbst, auch wenn es schmerzt, zu hinterfragen.

Hilfreich und[nbsp] bewusst gewählt ist auch das monatliche Erscheinen unseres Magazins. Die Gründerväter des 371 hatten sich weise entschieden nicht tagesaktuell, nicht immer der Erste oder der Exklusivste sein zu müssen. Ein Vorteil vor allem, wenn man sich einer Sache nicht sicher ist, wenn man eine Story für unplausibel hält. Wir berichten spät, dafür aber immer korrekt. Unser Magazin will nicht der scheinbar optimalen Geschichte, dem Geniekult und dem journalistischen Narzissmus huldigen. Wir arbeiten in Demut vor unserern Lesern und Anzeigenkunden. Zu den schlichten aber wirksamen 371- Prüfmechanismen gehört es weiterhin, stets im Team zu arbeiten. Wenn wir beispielsweise über die Eröffnung einer Boutique auf dem Brühl berichten, dann müssen Reporter, Rechercheure, Fotografen und Redakteure zusammenarbeiten, miteinander die Beobachtungen und Ideen diskutieren, ihre Erfahrungen zusammentragen und einander ihre Rechercheergebnisse vollständig offenlegen. Dann zeigen sich Widersprüche und Unklarheiten, dann wissen wir, ob die Boutiquenbesitzerin oder einer unserer Kollegen übertrieben oder gar gelogen haben. Fehler können so früh ausgemerzt werden.

Natürlich hatten auch wir im 371, trotz strenger Einstellungsüberprüfungen und interner Kontrollen, in den vergangenen Jahrzehnten Falschverhalten einzelner Mitarbeiter zu beklagen. Diese Verfehlungen spielten sich aber ausschliesslich in den Gebieten Alkoholmissbrauch und sexuelle Übergriffe ab, der journalistische Bereich blieb stets ein blitzsauberer. Darauf waren und sind wir stolz!

Foto: John Raetz / pixelio.de

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