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Letzte Frage im Mai

Herr Kummer weiss Antwort

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Lieber Herr Kummer, die „Causa Böhmermann“ hat unfassbar hohe Wellen geschlagen und eine Diskussion über Presse-, Meinungs- und Satirefreiheit ausgelöst. Das ist schön, finde ich. Da es also anscheinend einer drastischen Vorlage bedarf, um Veränderungen anzustoßen, könnten Sie als Chemnitz´ Chefsatiriker die Gelegenheit nutzen, ebenfalls hier ein solches Schmähgedicht, natürlich mit lokalem Bezug, zu veröffentlichen. Reizt sie das?

Wen bitte soll man denn in Chemnitz schmähen? Die CVAG liegt bereits am Boden, wenig Fahrgäste, grottenschlechtes Image - Nachtreten erscheint hier unsportlich. Über die GGG ist bereits alles gesagt. Barbara Ludwig und Faschingsprinz Miko Runkel sind bereits durch das Stahlbad verschiedenster Einwohnerversammlungen gegangen, angesichts dessen würden beide ein Satiregedicht wohl nur mit einem milden Lächeln quittieren. Der Stadtrat wird sowieso schon gern als rotrotgrünlinksversifft beschimpft. Das heimische Pegida-Häufchen sorgt für unfreiwillige Komik und „Pro Chemnitz“, mit dem eitlen Gockel Martin Kohlmann an der Spitze, landete mit seiner wackeren Bürgerstreife ohnehin den größten Lacher der letzten Monate. Was soll man da dichten, angesichts der Fülle von Realsatire? Und überhaupt, ein Schmähgedicht, meine Güte, das ist doch so 20. Jahrhundert, das riecht nach Bänkelsängern, Kaiserzeit, Cabaret im Haus Vaterland mit Separees und Tischtelefon. Da war der Humor von Herrn Böhmermann, z.B.[nbsp] bei der berühmten Stinkefinger-Satire, schon mal origineller und zeitgemäßer. Gegen das Schmähgedicht wird passenderweise ein uralter, fast vergessener, Majestätsbeleidigungs-Paragraf in Stellung gebracht. In welchen Zeiten leben wir denn, muß Satire und die Reaktionen darauf wirklich so retro sein? Recep Tayyip Erdoğan, der in seinem Kitschpalast sitzende Sultan, lebt gedanklich leider tatsächlich in vergangenen Jahrhunderten und scheint die Absicht zu haben, weltweit jeden einzelnen Kritiker zu verklagen. Man fragt sich, wann diese eingeschnappte Leberwurst noch Zeit zum Regieren findet. Lustig wäre gewesen, wenn Erdogan im Stile anderer Alleinherrscher zurückgedichtet hätte. Mao Tse-tung richtete unter anderem folgende Zeilen an seine Gegner: "Klein, klein der Erdball, / gibt ein paar Fliegen, stoßen an Wände. / Summen, summen: / einige laut erbittert, / einige lauthin klagend./[ ... ]. / Müsst sie auskehrn, allesamt, die üblen Insekten: / nirgends sonst Feinde." Stalin, Goebbels und Karadzic sind als Dichter in Erscheinung getreten, Saddam Hussein und Kim Il Sung haben sogar Romane verfasst. Wladimir Putin kann bekanntlich alles, er könnte sicher auch dichten, wenn er wollte. Erdogan reimt nicht, er schickt seine Anwälte. Ich reime gern, aber lokale Schmähgedichte überlasse ich lieber dem Chemnitzer Kabarett oder Herrn Sachsenmeyer. Ich schenke dir, werter Leserbriefschreiber ein positives Kampf- und Feierlied:

Bürgerstolz

Walzen, Räder, Transmission
drehen machtvoll ihre Kreise,
singen heut die schönste Weise
summen einen edlen Ton.

Unsre Kräfte, unser Hirn,
eng verzahnt zu großen Taten,
bauen Chemnitz wohlgeraten
bieten Nörglern stolz die Stirn.

Und so wird es künftig sein:
Die Heimatstadt zu unsren Füßen
muss uns als Gebieter grüßen
und wir schreiten froh hinein.

Leipzig wird jetzt eh Berlin, Dresden ist verdorrt,
Chemnitz, du verkannte Blume,
wirst zum neuen Sehnsuchtsort.

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