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Letzte Frage: Januar

Herr Kummer gibt Antwort

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Lieber Herr Kummer, in Chemnitz soll in absehbarer Zeit mit Unterstützung der Stadtverwaltung ein Rockbüro eröffnen. Nun bin ich Jazzmusiker und der Besuch eines solchen Beratungsbüro würde das Ende meiner musikalischen Reputation bedeuten. Warum also immer Rock, Rock, Rock? Ich frage das auch mit Blick auf meine Worldmusic- und Klezmerkollegen, aber nicht zuletzt auch hinsichtlich der vielen jungen HipHop Freunde in Chemnitz.

Moment, Moment! Zunächst ist ja noch unklar ob es sich bei dem geplanten Rockbüro nicht vielleicht um eine Frauengleichstellungs-Einrichtung handelt. Eine Anlaufstelle für Menschen im Rock eben. Es könnte sich dahinter aber auch ein Büro der von Bürgermeisterin und Stadtverwaltung mit Wohlwollen begleiteten Bewegung „Pro Christ“ verbergen, in dem Frauen beim Umsteigen vom männlichen Beinkleid zum urchristlichen, mütterlichen Rock beraten werden. Vielleicht werden im Rock Büro auch ganz einfach Taschen, T-Shirts und eben Röcke mit „Chmeintz“ oder „Löwenstarkes Chemnitz“ bedruckt.

Nehmen wir an, ein Rockbüro im musikalischen Sinne öffnet. Gerade Sie, lieber Leserbriefschreiber, dürfte damit doch eigentlich kein Problem haben, denn seit vielen Jahren gibt es in unserer Heimatstadt einen streitbaren Musikexperten von Weltgeltung, das fleischgewordene Jazzbüro Harald Krause. Dieser Mann ist das musikalische Aushängeschild der örtlichen CDU und steht rund um die Uhr allen Jazzern zur Verfügung. Klezmer Freunde, wie die Yankele Kapelle oder Klimborim können sich wiederum im Restaurant Shalom bei einem gepflegten, koscheren Bier austauschen. Worldmusiker dagegen brauchen kein Büro, sie reisen mit ihren Didgeridoos, Kalimbas und Balafonen um den Globus und fühlen sich überall zu Hause.

Die jugendlichen HipHoper schlagen alljährlich ihre Zelte beim Splash Festival auf, waten glücklich durch den Schlamm, huldigen ihren Stars und vermissen nichts so wenig wie ein Büro. Bleiben also die Freunde von Rock und Pop. Immerhin soll es ja in Chemnitz über 150 Bands dieses Genres geben. Für diese Bevölkerungsgruppe entsteht nun möglicherweise eine Anlaufstelle, gönnen wir es ihnen doch einfach. Musikmacher können vor Ort endlich brennende Fragen beantwortet werden wie zum Beispiel: Wie komme ich an hoch bezahlte Gigs? Wie verfasse ich einen Knebelvertrag? Wie gehe ich korrekt mit Groupies um? Vielleicht gibt es sogar Frisur- und Kleidungstipps.

Äußerst spannend ist natürlich, wer die Leitung des Büros übernehmen wird. Dieser Posten hat nachweislich Aufstiegspotential. Immerhin hat es Sigmar Gabriel, der von 2003 bis 2005 „Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs“ der SPD war, bis ganz nach oben in seiner Partei geschafft. Früher als „Siggi Pop“ verspottet, steht er nun in einer Reihe mit Willi Brandt und Helmut Schmidt. Oder denken wir an CSU Star Guttenberg, der rockte im vergangenen Jahr das Hofbräuzelt in Abensberg mit einem AC/DC Shirt und sammelte so im Wahlkampf jede Menge Sympathiepunkte.

Rock ist also offensichtlich en vogue und gut, dass Chemnitz mit der Institution Rockbüro ganz vorne mitmischen kann.

erschienen im Heft 01/2010;
Bild: photocase.de/view7

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