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Lieber Herr Kummer, ich bin leidenschaftlicher Hundebesitzer und
meine Gedanken sind immerfort bei Sabrina Lange aus Annaberg-Buchholz.
Sabrina musste mit ansehen, wie ihr Mini-Bullterrier Alfred beim
Stöckchenhol-Spiel urplötzlich in einem Teich verschwand. Sie ist sich
sicher, dass ein großer Wels ihren Liebling verschluckt hat. Die
Behörden haben nun beschlossen, dass die Bestie vom Reichenbacher
Angelteich weiter ihr Unwesen treiben darf. Warum diese Ungerechtigkeit?
Ist in diesem Land das Leben eines guten Freundes tatsächlich weniger
Wert als das eines fetten Fisches?
Sabrina Lange steht in
ihrem Schmerz über den Verlust des geliebten Vierbeiners leider nicht
allein. In Mönchengladbach verschluckte 2001 ein gieriger Wels einen
jungen Dackel. Bei Bremen verschwanden Schwäne von der Wasseroberfläche.
In Berlin trieb das „Monster vom Schlachtensee“ sein Unwesen und biss
arglose Badegäste. August 2008 wurde ein verzweifelter Angler zehn
Stunden in seinem Boot von einem Wels auf dem Starnberger See
umhergezogen und im Magen eines Wels` aus der Donau wurden kürzlich
sogar menschliche Leichenteile gefunden. Diese schrecklichen Meldungen
werden von unserer Gesellschaft gleichmütig aufgenommen. Es kommt zu
keinem kollektiven Aufschrei, keinem Aufbäumen gegen diese Zustände.
Seitdem sich in unserer Bevölkerung und den Behörden immer mehr grün
lackierte Gutmenschen ausbreiten und falsch verstandener Tierschutz um
sich greift, darf man nicht mal mehr eine hässliche Kröte zertreten oder
Kirschen stehlende Amseln mit dem Luftgewehr bekämpfen.
Es gab Zeiten da wurde mit schädlichen Lebewesen schneidiger umgegangen. Bertold Brecht berichtete vor vielen Jahren von den Teppichwebern aus Kujan-Bulak, einem kleinen Ort im sowjetischen Turkestan. Diese fleißigen Leute saßen den ganzen Tag am Webstuhl. Sie waren oft vom Fieber geplagt, das von den Stechmücken aus dem Sumpf gleich hinter ihrem Dorf übertragen wurde. Eines Tages wollten die armen Leute ihren geliebten Führer ehren und in ihrem Ort eine Lenin Büste aus Gips aufstellen. Dazu spendeten sie ihre mühsam erworbenen Kopeken mit fliegenden Händen. Ein Bürger machte plötzlich den Vorschlag mit dem Geld für Lenin statt einer Büste doch lieber Petroleum zu kaufen, um es auf den Sumpf zu gießen und damit den Untieren den Garaus zu machen. Die Teppichweber waren einverstanden und am Tage der Ehrung trugen sie ihre Eimer, gefüllt mit Petroleum, aus dem Ort hinaus und begossen den Sumpf. Alle schädlichen Insekten starben sofort. So nützten die Teppichweber sich, indem sie Lenin ehrten und ehrten ihn, indem sie sich nützten.
Doch wem könnten die Bewohner von Annaberg-Buchholz eine Vernichtung
des Killerwels` widmen? Sollten sie zu Ehren Norbert Röttgens einige
Fässer mit nuklearem Abfall im See versenken oder das Gewässer, um
Bundesbauminister Peter Ramsauer zu huldigen, komplett rückbauen? Würde
auch nur ein Annaberger für Rainer Brüderle oder Guido Westerwelle
spenden?
Es fehlt dieser Tage an wahren Helden und
Lichtgestalten, die die Bevölkerung zu handfesten Taten motivieren und
so werden die Annaberger wohl noch lange mit einem Killerwels leben
müssen.
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erschienen im 371stadtmagazin Heft 10/10
Foto: photocase.de/cydonna