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Sächsische Männerwelten

Erdmannsdorfer Firma efb haelt an sexistischer Werbung fest

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Unsere Autorin stört sich an einer sexistischen Firmenwerbung. Deren Urheber reagiert gewohnt männlich.

15 Minuten hatte ProSieben – nicht ganz freiwillig – rausgerückt. 15 Minuten Sendezeit ohne Einfluss auf den Inhalt des Ausgestrahlten hatten Joko [&] Klaas gewonnen. Seit der TV-Ausstellung „Männerwelten“ vom 13. Mai 2020 wissen nun mehr Männer, was alles unter sexuelle Belästigung fällt. Und sie wissen nun auch, dass wir Frauen, das alles gar nicht so gut finden, wie sie oft denken. Von der unfreiwilligen Penisbild-Galerie im eigenen Mailaccount über Posts zu Aussehen und ‚Fuckability‘ prominenter Frauen hin zu entwürdigenden Chatverläufen – digitale Taten, die es in analoger Form in diesem Ausmaß nie gegeben hat – ging es weiter über analoge sexuelle Übergriffe hin zur, man will schon fast sagen „klassischen“, Vergewaltigung.

Trotz berechtigter Kritik an der eingeschränkten Erzählperspektive und der fraglichen Haltung von Joko [&] Klaas – haben sie doch 2012 selbst einen Baustein in die #Männerwelten gesetzt – sind diese 15 Minuten deutschen Fernsehens bedeutend. Schwer zu ertragen sind sie auch noch und leider so aktuell wie vor tausend Jahren.
Die Männer scheinen der Zeit standzuhalten. Doch können wir im Video auch sehen, wie sich die Männer entwickelt haben: Sie haben ihre Formen der Anzüglichkeiten und Übergriffe vom altmodisch Analogen an die neuen digitalen Verhältnisse angepasst, sie haben neue Formen hervorgebracht. Kurz: Sie sind mit der Zeit gegangen, wie man sagt. Schlimm genug.

Mit der Zeit gehen wollte auch die Firma Estrich [&] Fußbodentechnik Börmann GmbH in Erdmannsdorf: Vor 25 Jahren hat sie sich eine tolle Werbung überlegt. Ich entdeckte sie Ende März dieses Jahres auf einem Spaziergang. Auf dem Plakat ist ein Frauen-Po zu sehen, der in einer sehr knappen blauen Shorts steckt. Darüber der Werbespruch „Eben und glatt muss er sein – der Estrich“. Man kann argumentieren, dass vor 25 Jahren die Uhren noch anders tickten. Damals waren solche Verhaltensformen und Sichtweisen vielleicht noch „ok“. Nun schreiben wir aber das Jahr 2020. Heutzutage sind derartige Werbemittel in unserem Kulturkreis[nbsp] gesellschaftlich nicht mehr anerkannt. So weit zur Theorie.

In der Praxis scheint ein anderes Zeitempfinden zu herrschen. Empört über diese – für mich – beleidigende Werbung, meldete ich sie pinkstinks, eine Plattform, die sexistische Werbung zu Forschungszwecken sammelt. pinkstinks stufte sie nach einer Prüfung als sexistisch ein. Darüber hinaus schrieb ich den Geschäftsführer – es ist immer ein Mann – der Firma an. Ich beschrieb mein Vorgehen, die Begründung von pinkstinks und bat die Firma die Werbung von ihrer Homepage und dem Baugerüst zu entfernen.

Die Antwort war überraschend einfach: „Diese Werbung begleitet unser Unternehmen schon ca. 25 Jahre und ist auf keinen Fall "sexistisch".“
Ach so.

Es spielt auch keine Rolle, dass der Deutsche Werberat diese Werbung bereits im Herbst 2018 als sexistisch eingestuft hatte: „Durch die Verbindung von Werbemotiv und -text würden Frauen und ihre Körper in herabwürdigender Art und Weise zur Schau gestellt, auf ihre Sexualität reduziert und als Eyecatcher für eine Handwerksleistung missbraucht.“ Da der Geschäftsführer damals auch auf mehrmalige Aufforderung hin keine Stellung bezogen hatte, rügte der Werberat das Unternehmen öffentlich. Diese Rüge besteht noch immer und wird vermutlich die Zeit überdauern.

Diese Werbung gibt es seit mehr als 25 Jahren. Der Geschäftsführer gab 2018 fassungslos gegenüber der Presse zu, dass sich in all der Zeit „noch nie“ jemand an der Werbung gestört hätte. Gut, Mitte der 90er Jahre gab es ja auch viel Anderes in dieser gemeinsamen Republik, über das man nachdenken, nachfühlen und handeln musste. Aber gibt es denn eine passende Zeit für solch eine Kritik? Der Firmeninhaber hat mir dankenswerterweise auch da weitergeholfen. Er gab mir einen kleinen Tipp am Rande: „Glauben Sie nicht, dass es momentan gravierendere Probleme – selbst vor der eigenen Haustüre – gibt?“ Richtig. Das hatte ich ganz vergessen. Wir haben ja Corona. Daher ist es ein überaus schlechter Zeitpunkt, Menschen auf sexistisches Verhalten hinzuweisen.

Damit ich damit aufhöre, bat er mich außerdem „dies“ zukünftig zu unterlassen, sonst sei die Firma „gezwungen anderweitige Schritte gegen [mich] einzuleiten.“
Bei solch aggressiven männlichen Drohgebärden, die mir – mal wieder – meinen Platz in den Männerwelten zuweisen wollen, wünsche ich mir für die Zukunft, dass solch ein Denken, Fühlen und Handeln, mit der Zeit gehen wird – verloren gehen wird.

Da wünschen aber allzu oft nicht ausreicht: Sehr geehrter Herr Börmann, Geschäftsführer von efb-erdmanndorf, verstehen Sie diesen Artikel bitte als direkte Antwort auf Ihre Bitte, meinen Mund zu halten!

Text: Gabi Reinhardt
Grafik: Christian Selent

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