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Interview mit Mai Duong Kieu

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Die von Kritikern und Zuschauern vielgelobte Serie Bad Banks ging im Februar mit Staffel zwei bei arte und ZDF auf Sendung. Darin spielt Mai Duong Kieu als Thao Hoang eine der vielschichtigsten Rollen. In der Serie In aller Freundschaft steigt die Darstellerin nun als erste Ärztin nichtdeutscher Herkunft ins Team ein. Das 371 hat sie in Leipzig getroffen, um mit ihr bei vietnamesischem Ingwertee über ihre Zeit in Chemnitz und den Weg zum Schauspiel zu sprechen.

Mai, du bist in Chemnitz aufgewachsen. Wann war das?

Wir sind im Herbst 1992 nach Deutschland gekommen und 2004 nach Leipzig gezogen. Ich habe also meine ganze Kindheit in Chemnitz verbracht. Als ich siebzehn war, mitten im Schuljahr, sind wir umgezogen. Grund war, dass mein Vater in Chemnitz eine Kung-Fu-Schule hatte und expandieren wollte.

Fiel es dir schwer, dich in einem anderen Land zurechtzufinden?

Als Kind siehst du das nicht so schwer oder bitter. Dir wird das Leben einfach vor die Füße geworfen. Ich war fünfeinhalb, als wir nach Deutschland kamen und in dem Alter wird alles noch sehr spielerisch gelernt. Meine Mutter hatte sich bereits vorher informiert. Meine Tante, die schon in Deutschland war, hatte ihr beispielsweise Kassetten mit ein paar sprachlichen Grundlagen aufgenommen. Ich war erst im Kindergarten und als ich mit siebeneinhalb in die Schule gekommen bin, war ich schon ganz gut in Deutsch. Das geht schnell und was ich noch nicht kannte, habe ich dann aus dem Kontext, der Mimik und Gestik, verstanden. Das hat meine Sinne geschärft. Wenn man eine Sprache nicht kann, schaut man nach anderen Signalen. Das ist auch zu meinem Wesen geworden. Ich bin eine Beobachterin.

Durch die ehemaligen Vertragsarbeiter der DDR fandet ihr wahrscheinlich auch eine vietnamesische Community in Chemnitz.

Mein Vater war ein großer Teil davon. Es gab am Wochenende Essen mit den vietnamesischen Freunden und am nächsten Tag mit den deutschen Freunden, die dazu kamen. Das war eine schöne Mischung. Wir hatten viele gute Erfahrungen mit unseren Kung-Fu-Schülern, die unsere Freunde geworden sind. Es gab auch eine gute Zusammenarbeit zwischen der vietnamesischen Community und der Stadt. Der Bürgermeister kam immer zu unserem Herbstfest Trung Thu, da waren auch viele deutsche Kinder dabei. Das fand ich ein schönes Beispiel für Integration, ohne seine Wurzeln zu verlieren. Integration heißt für mich nicht, dass man die Kultur der anderen übernimmt, sondern das Miteinander in Frieden verhandelt.

War das Miteinander in Chemnitz denn immer so friedlich?

Ich war meist die einzige Vietnamesin in der Klasse. Natürlich gab es da Anfeindungen und natürlich wurde ich jede Woche bespuckt und beschimpft. Die Leute sind heute so alt wie wir, vielleicht lesen sie ja gerade dieses Interview. Als Kind entwickelst du Strategien, damit umzugehen. Ich hab immer das Gute im Menschen gesehen und bin zu meinen Freunden gegangen. Die standen dann auch für mich ein. Da fühlt man sich aufgefangen, vielleicht hatte ich da Glück.

Du hast von Kindesbeinen an auch selbst Kung Fu gelernt?

Kampfsport ist alles, das mich ausmacht. In der buddhistischen Gesellschaft stolpert irgendwann jeder mal drüber und entweder macht man es oder nicht. Das ist wie ein Instrument spielen oder Sport machen. Ich habe schon mit zehn als Trainerin Gruppen geleitet, Kinder und auch Erwachsene. Da hab ich sehr früh gelernt, mit Verantwortung umzugehen.

Und bist du noch aktiv?

Ich musste das erstmal zurückstellen. Ich glaube, wenn ich in etwas gut sein will, muss ich mich entscheiden. Die Schauspielkarriere aufzubauen braucht jetzt meinen Fokus. Und ich wollte aus den Fußstapfen meines Vaters raus, sonst wird man nicht richtig erwachsen.

Hat dein Vater das bedauert?

Ich denke schon, aber er hat auch verstanden, dass es ein nötiger Schritt war. Er hat ja auch mit der Kung-Fu-Schule in Deutschland etwas anderes gewählt, als seine Eltern von ihm erwartet haben. Das hat er aus Herzblut gemacht und das was ich mache, mache ich auch aus Leidenschaft. Ich denke, mittlerweile ist er auch sehr stolz auf mich. Doch mir steht die Tür immer offen, ich habe also einen Plan B. Das Wissen, was ich mir in den letzten 30 Jahren angeeignet habe, bleibt mir.

In deiner Rolle als Thao Hoang in Bad Banks sieht man dich allerdings kein Kung Fu kämpfen.

Ein bisschen haben wir die Körperlichkeit in den Übergriff in der Studi-WG einfließen lassen, aber das ist eine andere Nuance. Damit bin ich voll zufrieden. Ich fände schlimm, wenn ich engagiert werde und jemand sagt, hey die kann ja Kung Fu, da können wir was einbauen, was dann überhaupt nicht zur Rolle passt oder unnötig ist. Für mich funktioniert die Figur in Bad Banks komplett, sie ist super interessant. Da konnte ich viel einfließen lassen, auch bei den Dialogen ein bisschen mitarbeiten und aus persönlichen Erlebnissen schöpfen.

Wie entwickelt sich die Rolle in Staffel zwei?

Für die meisten Fans ist sie zu klein. Aber jeder in der Gruppe hat da seinen Struggle und seine Geschichte. Bei Thao ist der wunde Punkt die Familie und ihr Durst nach Liebe und Anerkennung.

Der Dreh ist nun ein Jahr her, was sehen wir von dir als nächstes?

Gerade läuft die Arbeit an einer Amazon-Serie, in der ich die Hauptrolle spielen soll. Ob das was wird, entscheidet sich wohl dieses Jahr. Eine Vietnamesin in der Hauptrolle einer deutschen Serie wäre schon sehr fortschrittlich. Und ich bin jetzt in der Rolle einer Neurochirurgin fest im Ensemble von In aller Freundschaft.

Ist die Arbeit an Bad Banks und In aller Freundschaft ein großer Kontrast?

Ich sehe Schauspiel eher als Handwerk als als Kunst. Das Pensum ist bei In aller Freundschaft gar nicht mal so klein – jede Woche eine Folge – und man muss sehr gut vorbereitet sein, auf den Punkt funktionieren. Das verbindet alle Produktionen: Zeit ist Geld.

Deine Karriere fing ja wie ein Disneyfilm an: Einfach so entdeckt bei Myspace.

Ja, es gibt noch Disneygeschichten. Ich war ja auf allen sozialen Netzwerken. Ich war auf Myspace, Asiazone, Uboot, StudiVZ, Triff-deinen-Chemnitzer. Und mein Agent war auch auf Myspace, da hatte ich Kung-Fu-Fotos hochgeladen. Er wollte mich dann zum Casting schicken, da hab ich noch Sprachwissenschaft studiert und wollte nicht hingehen. Ein Jahr später war ich dann selbst bei einem Casting, habe die Rolle nicht bekommen und war so sauer. Da habe ich mich – eigentlich aus gewecktem Ehrgeiz – an den Agenten erinnert. So bin ich zum Schauspiel gekommen und dabei geblieben.

Und von da an war alles ganz einfach?

In Berlin hab ich richtig schlechte Zeiten erlebt. Da war ich tausendmal pleite. Ich glaube, das ist gut, wenn man nicht gleich Erfolg hat, da weiß man, was man sich erarbeitet hat. In den ersten zwei Jahren in der Agentur, von hundert Castings kein einziges bekommen. Du kommst mit frischer Energie und kriegst nichts. Da verliert man manchmal den Mut. Man muss dran bleiben.

Text: Michael Clebusch
Fotos: ZDF / Fabrizio Maltese

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