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„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“ wird beim Einkaufsbummel in Chemnitz seit einiger Zeit immer mal wieder mit einem „Dobrý Den“ beantwortet. Immer mehr Kunden aus Tschechien entdecken Sachsen als Einkaufsparadies. Die Gründe dafür sind erstaunlich.
Der Sachse fährt gern mal nach Tschechien. Billig tanken und Kippen kaufen. Doch die wenigsten wissen: Mittlerweile ist der umgekehrte Weg der weit Umsatzstärkere. Tschechische Kunden beleben den Chemnitzer Einzelhandel jährlich mit Millionenbeträgen. Die IHK hat 2012 in Kooperation mit der TU Chemnitz und der Universität Pilsen eine Studie zum grenzüberschreitenden Konsumverhalten gemacht und festgestellt: es kaufen regelmäßig mehr Tschechen in Sachsen ein als wir auf der anderen Seite der Grenze.
Ebenso ist es überraschend, dass Chemnitz bei den Tschechen sehr gut ankommt. Vor allem liege das an der guten Verkehrsanbindung, den vielen Parkmöglichkeiten und der Vielfalt der Händler, erklärt Bert Rothe von der IHK Chemnitz. Besonders die an der Autobahn liegenden Shoppingcenter Neefepark und Chemnitz Center werden häufig von tschechischen Kunden besucht. Wie viele es genau sind, weiß aber niemand so recht. Doch die Centerchefs spüren die Nachfrage aus dem Nachbarland deutlich. Martin Müller vom Chemnitz Center beobachtet diese Steigerung zum Beispiel an den Klicks von tschechischen IP-Adressen auf der Center-Homepage. Im Schnitt komme fast jeder Zehnte Zugriff von der anderen Seite des Erzgebirges. Kein Wunder also, dass Fahrzeuge mit tschechischen Kennzeichen gerade an den Wochenenden zuhauf auf den Parkplätzen der Center zu entdecken sind.
Kleine Preise
Bei der Frage nach dem begehrtesten Artikeln bestätigen die Centerchefs die Aussage der IHK-Studie. „Qualitativ hochwertige Markenprodukte aus dem Textil- und Technikbereich sowie Spielwaren sind bei den tschechischen Kunden sehr beliebt.“, verrät Neefepark-Chef Manfred Haendly. Weitere Bestseller sind laut IHK-Untersuchung Lebensmittel, Kleidung, Drogerie- und Kosmetikartikel. Ein Drittel der Befragten nannte den günstigen Preis als Haupteinkaufsargument, ein Viertel betonte die hohe Qualität. Martin Müller erklärt, dass z.B. Fernseher und DVD-Player in Tschechien weitaus mehr kosten, da sie dort höher besteuert werden. Ebenfalls wichtig für diesen Kundenzweig sind Anfahrt und Öffnungszeiten. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass sich bisher nur wenige tschechische Besucher bis in die Innenstadt gewagt haben. Jörg Knöfel von der Galerie Roter Turm bemerkt zwar schon steigende Kundenzahlen und hofft auf den Ausbau der B174. Ob der tatsächlich einen Einfluss auf die Besucherzahlen in der Innenstadt hat, wird sich zeigen. In anderen Läden der Innenstadt wie dem Titus oder Shoes.Please fällt diese Entwicklung bisher kaum auf. Ein Mitarbeiter der Saturn-Filiale in der Galerie Roter Turm bringt es auf den Punkt: „In der Filiale im Chemnitz Center gibt es auf jeden Fall viel mehr tschechische Kunden als hier in der Stadt. Dort wurden den Mitarbeitern auch Sprachkurse angeboten.“ Womit wir auch schon beim Hauptproblem mit der neuen Kundschaft wären.
Große Sprachbarrieren
Über die Hälfte der befragten Kunden aus Tschechien wünschen sich gute Fremdsprachenkenntnisse beim Verkaufspersonal, etwa genauso viele finden es wichtig, dass es Informationsmaterial, Speisekarten oder Hinweisschilder auf Tschechisch gibt. Doch davon ist man in Chemnitzer Einzelhandel noch weit entfernt: Die IHK bietet zwar Sprachkurse für den Bereich Handel und Dienstleistungen an, doch diese erfahren nur langsam mehr Beachtung. Noch scheint hier die notwendige Sensibilität zu fehlen. Die Mitarbeiterinnen aus dem Schuhladen Leiser jedenfalls betonen, dass die tschechischen Kunden, die es doch bis in die Innenstadt verschlägt, sehr gut Deutsch sprechen können. Sprachprobleme hätte es also nie gegeben. Mit gutem Beispiel geht hingegen die H[&]M-Filiale im Chemnitz Center voran. Dort werden gern auch tschechische Muttersprachler eingestellt, um noch besser auf die Wünsche der Kunden einzugehen. Im Chemnitz Center ist das Thema laut Martin Müller allgegenwärtig: „In den Strategiesitzungen des Centers stehen solche Inhalte immer wieder auf der Tagesordnung“.
Auch im Neefepark hat man reagiert, mit angepasster Werbung und einem mehrsprachigen Internetauftritt. Wenn die Kaufgäste dann einmal hier sind, könnten tschechische Schilder, Hinweise oder aufpolierte Sprachkenntnisse der Mitarbeiter schon viel bewirken, betont Bert Rothe von der IHK. Und Jörg Knöfel wiederum hofft, dass man in Zukunft vor allem mit einem Paket aus Handel, Events und Kultur noch intensiver auf diese Zielgruppe eingehen könne.
Die Tschechen kommen zu uns und wir bekommen es nicht einmal mit. Jetzt wissen wir, dass es durchaus nicht verkehrt ist, auch selbst einmal die tschechische Grußformel „Dobrý Den“ über die Lippen zu bringen – es wird nämlich verstanden.
Text: Felicitas Wünsch Foto: Archiv
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Erschienen im Heft 09/13