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Was wird’n das?

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Burgerkauend stehen Menschen unter dem goldenen M, mit Fingerzeig auf das Karl Marx Monument. Ja, was wird das eigentlich? Nach der Wende ging das Gerücht um, es soll abgerissen oder gar verkauft werden. Einige Städte im Westen boten sogar Geld, um die größte Portraitbüste der Welt zu bekommen. Und jetzt? Wird er abgebaut? Chemnitz ohne Nischel?

Nein, nein die Büste wird nicht abgerissen. Sie wird nach mehr als 18 Jahren in der DDR und weiteren 18 Jahren in der BRD vorsätzlich und vorübergehend dem Stadtbild entzogen. Haben die Statue und der Denker überhaupt noch etwas miteinander zu tun? Studenten der Universitäten Linz und Schneeberg haben sich im Rahmen des internationalen Studentenworkshops der Neuen Sächsischen Galerie mit dem Marxverständnis in unserer Stadt auseinander gesetzt. „Gebt uns Euer Kapital“ hieß der erste Schritt, um auf die Spuren der Wahrnehmung um das Kunstwerk zu kommen, wobei jeder der wollte seine Ausgabe der marxschen Schrift mitbringen konnte. Der zweite Schritt ist das "Temporary Museum of Modern Marx". Vom 7. Juni an wird das Wahrzeichen 12 Wochen und 1 Tag lang verhüllt. Der abgeschrägte weiße Kubus um den steinernen Kopf wird das verstecken, was die Plastik bislang nach außen repräsentierte - Ideologie, Wende und Stadtsouvenir. Die Aktion soll den Besucher zum Eigentlichen zurückführen: die Gedanken des Philosophen Karl Marx. Im Inneren wird es die Möglichkeit geben, sich die Werke über Audioinstallationen anzuhören. Es sei dabei wichtig gewesen, gelesene Versionen des Manifests von Marx zu finden, die weitestgehend politisch neutral sind, sagt Michael Hensel, Student der Hochschule Schneeberg. Auf mehreren Ebenen kann man sich dem Monument zu nähern. Aug’ in Aug’ oder auf dem kantigen Haar triumphierend, kann jeder Büste und Stadt neu entdecken. Ab Woche 3 der Installation, das heißt genau ab dem 3. Juli, gibt es nämlich[nbsp] gegenüber ebenfalls eine Umgestaltung, die konzeptionell das genaue Gegenteil ist.

Andrea Taha entwirft dort ein fiktives Szenario, wonach in 10.000 Jahren Chemnitz unter klimatischen Veränderungen versandet sein wird. An der Stelle des Roten Turms könnte dann nach den Spuren der Vergangenheit gesucht werden. Die deutsch-ägyptische Künstlerin möchte den Formgeber für die Fit – Spülmittelflasche in ein Beduinenzelt verwandeln, wobei der Turm durch einen in Kairo gefertigten Stoff umhüllt wird. Vor dem ehemaligen Gefängnis soll Sand aufgeschüttet und ein Wüstenlager errichtet werden. Auch einige Events werden im Wüstenzelt stattfinden, wie etwa die Eröffnungsveranstaltungen des Architektursommers Sachsen und der Interkulturellen Wochen.
So werden in diesem Sommer zwei Wahrzeichen zur selben Zeit verhüllt, was Andrea Taha als "schöner Zufall“ bezeichnet. Über die Aussage der einzelnen Kunstaktionen kann man streiten, Aufmerksamkeit erregen sie allemal. Und sie bilden, ebenfalls vollkommen ungeplant, den Auftakt zu einem überraschend spannenden Kunstsommer. Die Junge Kunstnacht im Gunzenhauser (14. Juni), die Begehungen auf dem Brühl (August) oder die große "Form - Farbe - Geste"-Ausstellung in der Alten Aktienspinnerei (September) sind weitere Beispiele dafür. Vielleicht kann man also auf die Frage "Was wird'n das?" bald antworten: Die Stadt der Moderne.

Erschienen im 371 Stadtmagazin 06/08

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