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Vom 6. bis zum 8. Juli findet wieder das Splash! Festival statt. Doch erstmals nicht in Chemnitz, sondern auf der Halbinsel Pouch bei Leipzig. Kein Grund den Kopf in den Sand zu nicken. Oder doch? Für viele war Chemnitz die HipHop-City im Osten. Die Zeiten sind scheinbar vorbei. Gemeinsam mit HipHop Aktivisten dieser Stadt haben wir über Community-Gedanken, den Weggang des Splash! Festivals und das eigene künstlerische Schaffen gesprochen.
Die Senkrechtstarter - DJ Maxxx und Der schöne Ralf
Beim „371“ Leserpoll 2006 wählten die LeserInnen Maxxx zum beliebtesten DJ der Stadt. Fast zeitgleich nahm „Phlatline“ den Youngstar offiziell in den Label-Roster auf. Gemeinsam mit „Der schöne Ralf“ bilden beide eine Art Soundsystem und gehören wahrscheinlich mit zu den kommerziell erfolgreichsten Vertretern der HipHop Community dieser Stadt. Doch gibt es diese Community tatsächlich? „Ich kenne fast alle, aber eine geschlossene Community? Das gibt es nicht wirklich. Es fährt halt jeder seine eigene Schiene“, erklärt Maxxx. Viele sprachen von Chemnitz als einer HipHop Hochburg, nicht zu letzt durch das Splash! und den Erfolg von Tefla und Jaleel. Auf die Frage, ob das Splash! Festival auch in Chemnitz hätte stattfinden können, antwortet Maxxx: „Hätte es hier stattfinden müssen, hätte es nie stattgefunden. Deswegen war Leipzig die einzige Alternative“. Und so werden neue Wege beschritten. Auch Maxxx und Ralf schauen schon länger über die Stadtgrenzen hinweg. Auftritte in Prag und Moskau sind dabei ein Teil des Plans, Chemnitzer HipHop auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen: „In Moskau haben wir einen Freund, der beim Splash! mal ein Praktikum gemacht hat und daher kommt auch die Verbindung. Es gibt ja zum Beispiel auch ein Splash! in Russland. Das ist ein Ableger, wenn man so will. Die Verbindung zu Prag ist über das HipHop Kemp entstanden“.
Netz: www.djmaxxx.de und www.der-schoene-ralf.de
Der Beatboxer - Bee Low aus Berlin
Seit Mitte der 90er Jahre ist Bee Low aus Berlin im Beatbox Geschäft tätig. Anfangs moderierte er mit der Stoppuhr auf DJ Meisterschaften und „beatboxte“ während der Umbauphasen. Mittlerweile organisiert er Beatbox Meisterschaften in 28 Ländern und betreibt somit besonders intensiv eine Art Talent- und Nachwuchsförderung: „Wer, wenn nicht wir fördert denn sonst die Kids von der Straße“. Im Ajz Chemnitz veranstaltete Bee Low und sein Team im dritten Jahr in Folge eine solche Meisterschaft. „Das ganze Team vom AJZ hat uns all die Jahre super unterstützt und somit den Musikern und Künstlern aus ihrer Region eine Heimat geboten. Maximum Respekt!”, so Bee Low. Auf die Frage, ob er Chemnitz als eine Art HipHop Hauptstadt sieht, antwortet er: „Der Begriff Hauptstadt passt für meine Begriffe nicht so genau auf Chemnitz. Allerdings finde ich, dass auf der HipHop Ebene in Chemnitz einiges geht. Nicht nur durch die letzten neun Jahre Splash Festival, sondern auch durch die geballte Ladung der einheimischen HipHop Aktivisten.“ Und was wird demnächst von Bee Low noch zu erwarten sein? „Ich habe gerade vor kurzen an der aktuellen Single „Operator“ von den Flying Steps mitgewirkt. Allerdings liegt meine Hauptaufgabe zurzeit an der Planung und der Organisation der 2. Beatbox Weltmeisterschaft, die im Spät-Herbst in Berlin stattfinden soll.“
Netz: www.beatboxbattle.com
Der Realist – Lars vom Dorf
„HipHop als Begriff definiert heute keinen bestimmten Stil der Musik mehr. Es gibt auch keine wirkliche Szene, da sich alles sehr ausdifferenziert hat und verschiedene Strömungen unter dem HipHop-Begriff zusammen kommen“, erklärt Lars auf die Frage, wo er aktuell die HipHop Musik sieht. Die Musik von Lars vom Dorf könnte man als sehr Soul orientiert beschreiben. In den Staaten würde man sie wahrscheinlich in die Conscious Schiene einordnen. Lars vom Dorf – das ist ein dreiköpfiges Team, welches sich aus Artist, DJ und Produzent zusammensetzt. "Ich arbeite nur mit Freunden zusammen. Das hat sich einfach so ergeben aus dem Wunsch heraus, sich eine feste Basis zu erarbeiten. Die Infrastruktur für Künstler ist ja hier eher schwach ausgeprägt“, erklärt Lars die Zusammenarbeit genauer. Momentan schreibt Lars auch seine Diplomarbeit über die „Alltägliche Lebensführung von HipHop-Musikern". Und was sagt er zur Situation in Chemnitz, nachdem das Splash nun nicht mehr hier stattfinden wird? „Das Splash! war einer von wenigen identitätsstiftenden Aspekten für die Stadt. Hätte ich in der Stadt etwas zu sagen, dann wäre alles Mögliche unternommen worden, um das Festival hier zu binden.“ Dass jedoch nur wenige Chemnitzer Künstler beim Splash! vertreten waren, sieht auch Lars eher kritisch. Ein neues Album von Lars vom Dorf wird für Ende 2008 anvisiert.
Netz: www.larsvomdorf.de
Die Underdogs - Beat Valley Produxnz
Beat Valley, das sind die 3 MC’s Disaster 79, Sticky Icky und Ledahz MC und der Mann an den Reglern Monopol. Gemeinsam veranstalteten sie zuletzt die „Lyricist Lounge Germany 2“ im Bunker. „Wir wollen Untergrundaktivisten eine Plattform bieten“, so Disaster 79. Neben Beat Valley waren auch Künstler aus Mainz, Ulm, Giessen und Mittweida auf der Veranstaltung vertreten. Begonnen hatte alles mit Freestyle Sessions im Bunker, als dort jeden Donnerstag „Open Mic“ Veranstaltungen waren. Vor klaren Statements zum aktuellen Zeitgeschehen, wie zum Beispiel eine klare Absage an die „Du bist Deutschland“ Kampagne in ihrem gleichnamigen Lied, schrecken die Jungs von Beat Valley nicht zurück. Was HipHop vermitteln sollte und wie sie ihre eigene Musik sehen, erklärt Disaster 79 stellvertretend: „HipHop ist der Takt. In erster Linie bin ich Lyricist. Ich bringe meine Gefühle rüber und der Stil ist bei mir Rap. Ich bin zwar nicht Goethe, aber Rap ist eine Art, sich auszudrücken. Man hat mit Musik viel Aussagekraft.“ Aktuell sehen Beat Valley die Situation in Chemnitz auch eher kritisch. „In Chemnitz gibt es einen guten Mix“, so Sticky Icky, aber „die Verbindung der Künstler untereinander ist eher schlecht“, wie Ledahz MC weiter erklärt. „Ich zolle aber jedem Respekt, der etwas macht“, sagt Disaster 79 zum Ende des Gespräches. Momentan arbeiten die Jungs darauf hin, dass Beat Valley einmal zum Label wird.
Netz: myspace.com/beatvalleyproduxnz
Die Familie - Epileptik Undercover
Epileptik Undercover sind El Loco (MC), Canibal (MC [&] Producer), Quixotic (MC [&] Producer), LMC (MC), Rust (MC), SkepTick (MC [&] Vocals), BF- Hole (DJ) und Frontside (DJ [&] Producer). Damit gehören E.U. wahrscheinlich zu den größten Rap Combos dieser Stadt. Der Name steht dabei für den Zusammenschluss der beiden Crews Epileptik und Undercover. Beim Thema Jugendförderung haben E.U. folgendes zu sagen: „Durch den Wegzug des Splash! Festivals muss die Stadt sich wieder um uns kümmern“, und kommentieren die aktuelle Lage der HipHop Gemeinde von Chemnitz weiter: „die einzigen, die uns immer unterstützt haben, waren die Leute vom AJZ“. Bei ihrem letzten Auftritt als Support für Linus der Profi und Bernd Bass im Atomino zeigten sie, dass vor allem eines wichtig ist: der Spass an der eigenen Musik. „Wir wollen uns auch nicht an irgendwelche HipHop Regeln halten. Die sind uns egal“. Das „Hardcore Vibez“ Cover auf MySpace spricht da Bände. Für das nächste Jahr planen E.U. die Veröffentlichung eines Longplayers.
Netz: www.myspace.com/epileptikundercovereu
Die Newcomer – Linus der Profi und Bernd Bass
Mit ihrem kürzlich veröffentlichten Debütalbum „Feierabend“ liefern Bernd Bass und Linus den aktuellsten Output in der HipHop Szene von Chemnitz. In nur vier Monaten aufgenommen und an den Start gebracht, haben die beiden gezeigt, was es bedeuten kann, mit 100 Prozent ein Ziel zu verfolgen. Zum Recordrelease und gleichzeitig auch ersten offiziellen Show im Atomino waren gut 300 Gäste anwesend. Beide sind auch die jüngsten Vertreter der einheimischen HipHop Szene. Und wie schätzen sie diese „Kultur“ ein? Gibt es die? „HipHop ist schon eine Kultur. Kennst du die vier Elemente? DJ, Breakdance, MC und Graffiti. Das ist für viele eine Lebenseinstellung“, erklärt Linus. „Das Gequatsche von Community ist mir ein bisschen zu hippiemäßig“, meint hingegen Bernd Bass und sagt weiter: „ich bezweifle, dass es ein Gemeinschaftsgefühl gibt. Man macht ja auch nur mit den Leuten etwas, die man musikalisch fitt findet und mit denen man gut kann“. Dass Linus und Bernd miteinander gut können, zeigt der Humor den beide an den Tag legen. Kleine Kostprobe? Sagt der Bernd zum Linus, „wir wollen an die Spitze“. Sagt der Linus daraufhin zum Bernd: „Was bist du denn für einer? Du hast kein Mic, ja du hast nicht einmal ein Kabel“. Beide lachen.
Netz: www.myspace.com/linusmacht und www.myspace.com/berndbass
Die Texte zeigen: Es gibt in Chemnitz eine lebendige HipHop-Szene. Auch ohne das Splash! Festival. Der Unterschied zu den Anfangstagen von Phlatline ist jedoch der fehlende Community-Gedanke bei der „neuen“ Generation. Das ist an sich nicht weiter schlimm. Doch um so etwas wie das Splash! aufbauen zu können, bedarf es eines solchen Gedankens. Das ist der große Unterschied zur Situation Ende der 90er Jahre. Es liegt jetzt an den Neuen, ein eigenes Selbstverständnis von HipHop in Chemnitz aufzubauen. Die Vorraussetzungen sind jedenfalls da.
Text: Alex Dinger, Foto: Alex Dinger, privat
Erschienen im 371 Stadtmagazin 07/07