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Jan und die Spuren der Zeit

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Der Falkeplatz, zu DDR-Zeiten Fritz-Heckert-Platz, befindet sich im Herzen unserer Stadt. Hier wohnte in einem gewaltigen Plattenbau das schönste Antlitz des Sozialismus, Katarina Witt. Ob die bezaubernde Eiskunstläuferin sich manchmal, vielleicht beim Müll raustragen, gefragt hat, wie es hier vor ihrer Zeit aussah?

Ob sie gewusst hat, dass ihr mächtiger Neubaublock auf den Trümmern eines großen Jugendstil-Palastes errichtet wurde? Das 1902 eröffnete Central-Theater an der Zwickauer Straße war bis zu seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg eine wichtige Bühne für Varietè und Operettenveranstaltungen. Neben dem Theater beherbergte das Haus Wein- und Bierrestaurants sowie verschiedene Cafes. So ein Palast wäre sicher ganz nach dem Geschmack der Eisprinzessin gewesen, man hätte sich sogar einen Tanzauftritt von ihr in den prunkvollen Räumlichkeiten vorstellen können. Die Gaststätte „Zum Fass“ im Erdgeschoss ihres Wohnblocks bot und bietet solche Möglichkeiten nicht. Manchmal legte sich Katarina Witt ein Kissen auf ihr Fensterbrett und schaute verträumt auf die seltsame Brachfläche neben dem heutigen Museum Gunzenhauser. Zu sehen waren ein paar alte Treppenstufen, verrostete Geländer und eine Rasenfläche, hier befand sich bis 1948 die Nikolaikirche, eines der ältesten Gotteshäuser von Chemnitz. Mit den Bombenangriffen 1945 brannten die Kirche, das Pfarrhaus und das auf dem Gelände befindliche Kantonatsgebäude nieder, die lange Geschichte der Nikolaikirche war beendet. Unter den neuen politischen Umständen nach dem Krieg - immerhin sollte eine neue, sozialistische Stadt errichtet werden - war an einen Wiederaufbau nicht zu denken. Man demontierte die drei Stahlglocken aus dem Kirchturm und verkaufte sie an die Gemeinde Thum im Erzgebirge. Danach erfolgte der teilweise Abbau der noch stehenden Kirchenreste. Nach der Sprengung der Turmruine 1948 war von dem sakralen Ensemble nichts mehr sichtbar. Katarina Witt wird dieser Verlust kalt gelassen haben. Mit einem Gotteshaus hätte die Eisprinzessin sowieso wenig anfangen können, immerhin war sie Mitglied der SED und Erich Honneckers Segen war ihr wichtiger als der Beistand himmlischer Mächte. Überhaupt dürfte Gold-Kati mittlerweile der ganze Falkeplatz egal sein, sie wohnt jetzt in Berlin und war in den letzten Jahren das schöne Antlitz des Playboy Magazins, der gescheiterten Olympiabewerbung von München und der seltsamen Fernsehsendung „The Biggest Looser“. Im Plattenbau am Falkeplatz wohnen heute definitiv keine Prinzessinnen mehr.

Text: Jan Kummer Foto: Maik Irmscher


Ecken und Enden: An der Steinernen
In zehn (oder mehr) aufeinander folgenden Ausgaben wollen wir 100 Geschichten über Chemnitz erzählen.

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Es ist keine Neuigkeit, dass für 371-Geschichten des Öfteren der Pfad der Legalität verlassen wird, um den Unterhaltungsgrad der Artikel zu steigern.

Beate und das schönste Glück
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Das Hochhaus mit der Nummer 10 an der Zwickauer Straße ist bei weitem keine Schönheit. Einsam und schroff steht es gegenüber dem Museum Gunzenhauser und seinem schlichten Bauhausstil.

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