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Am Anfang war es eine kleine private Sammlung von Filmen, ergänzt durch gebrauchte Videokassetten, die Andrzej Cisla auf den ersten Automärkten aus dem Kofferraum heraus erstand. Gerade einmal 200 Filme, teilweise im Schlafzimmer gelagert, aber eben auch der Grundstock der ersten Videothek in Chemnitz mit ihrer bis zum Schluss unverwechselbaren Auswahl und Atmosphäre.
Lange vorbei ist die Zeit, als bei der Abgabe eines ausgeliehenen Films zuerst geschaut wurde, ob der Ausleiher auch nicht vergessen hatte, zurückzuspulen. Noch länger ist es her, dass sich VHS als Standard im Heimbereich etablierte. Das war Anfang der 80er.
Im Jahr 1989 eröffnete Andrzej Cisla auf der Reichsstraße 50 im Stadtteil Kaßberg die erste Videothek. Es gerade in diesem Beschäftigungsfeld zu versuchen, war reiner Zufall, wie er betont. 10 Jahre lebte der in Polen geborene Cisla damals bereits in Chemnitz. „Gewissermaßen war es ein Umorientieren in die freie Marktwirtschaft. Mein Interesse für Film war schon immer da, denn man muss wissen, dass es in Polen das gleiche Filmangebot wie im Westen gab. Warum dieses Interesse nicht zum Beruf machen?“
Von über 70 Videotheken, die dann in der Folgezeit in Chemnitz eröffneten, blieben bis 1992 nur noch rund 20. Preisverfall und harte Preiskämpfe untereinander hatten die Einnahmen unter eine Grenze gesenkt, wo es sich kaum noch lohnte, in diesem Markt zu verbleiben, erinnert sich der Video-Veteran. „Ich habe aber alles Geld in die Filme gesteckt. In den ersten Jahren dachte ein Großteil der Videothekenbesitzer: Ich stelle ein paar Kassetten hin und werde Millionär. Sie fuhren bald auch große Autos. Ich fuhr einen alten Honda. Doch irgendwann war bei ihnen Schluss. Sie investierten nicht.“ Er hingegen war in der Lage, auf Kundenwünsche einzugehen und bestellte sogar eigens danach Filme.
Andrzej Cisla vergleicht dementsprechend seine Videothek mit über 5000 Filmen eher mit einem Antiquariat. Natürlich hatte er auch immer die neusten Filme im Laden, wie er hinzufügt, doch hauptsächlich ging es ihm immer um den besonderen Film. „Dies war ein Geschäft, wo der Wert nicht auf die Ausstattung gelegt wurde, sondern auf den Inhalt. Die schöne Ausstattung kann der Kunde nicht mit nach Hause nehmen.“
Auch jetzt könnte Andrzej Cisla ohne Probleme von seiner Stammkundschaft leben. Doch mit der Kündigung seines Ladengeschäftes durch die GGG – ein Vorgang, der sich über zwei Jahre hinzog - und das Fehlen eines passenden Ausweichobjektes, das bezahlbar wäre, nimmt er nun schweren Herzens Abschied. Was er demnächst machen wird, weiß er noch nicht.
Schade findet er nur, dass so sein Wissen und seine Erfahrung in Bezug auf Film niemandem mehr von Nutzen sein kann. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal, wo ich in Chemnitz jetzt Filme ausleihen soll, die mich interessieren“, fügt er abschließend schmunzelnd hinzu, während der Transporter, der die Filme und Regale abholt, bereits vor der Tür steht.
Text: chezz Foto: André Koch
Erschienen im 371 Stadtmagazin 05/10