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Bücher sind nach Geld und Gutscheinen das zweitliebste Weihnachtsgeschenk der Deutschen*. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels berichtet jedoch von einem Umsatzrückgang in kleinen Buchhandlungen 2011 um drei Prozent, während der des Onlinebuchhandels um fünf Prozent stieg. Wie reagieren Chemnitzer Buchhändler darauf?
Die gemeinnützige Buchhandlung Lessing, sonst fest auf dem Kaßberg verortet, ist auch bei Facebook anzutreffen. Stärkere Kundenbindung erhoffen sich die Betreiber Susanne Meysick und Klaus Kowalke davon. Doch damit reagieren sie auch darauf, dass selbst die Kunden, die zu ihnen in den Laden kommen, sich oft bereits online umgeschaut haben. Denjenigen, die gerade bei Amazon unterwegs seien, solle es der Facebook-Account des Ladens deshalb leichter machen statt beim Online-Riesen bei Lessing zu bestellen, so Kowalke. Sparen könne man beim Bestellen von Büchern im Internet ohnehin in der Regel nicht, denn bei neuen in Deutschland verlegten Büchern sorge die gesetzliche Buchpreisbindung dafür, dass sie überall gleich viel kosteten. „Doch das wissen nur 17 Prozent der Leser“, zitiert Kowalke eine Statistik der EBuch, eines Zusammenschlusses kleiner Buchhandlungen in mehreren europäischen Ländern. Grund dafür sei unter anderem, dass viele die günstigen Preise im so genannten Amazon Marketplace sähen und dächten, Amazon habe andere Preise. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber um Angebote von externen Händlern, die – ähnlich wie bei Ebay – gebrauchte oder vergriffene Bücher anbieten. Für diese sowie für Mängelexemplare und antiquarische Bücher gilt die Buchpreisbindung nicht. Auch die Auswahl ist bei Amazon nicht größer als in unabhängigen Buchläden, denn in Deutschland teilen sich zwei Buchgroßhändler den Markt, bei denen alle Buchhändler – on- wie offline – bestellen. Kleine Buchläden bestellen darüber hinaus aber auch direkt bei Verlagen, die sich nicht von Großhändlern vertreten lassen und suchen auch nach vergriffenen Büchern. Meysick und Kowalke nutzen diese Möglichkeiten und bieten nicht nur die gängigsten Bücher an, die man fast überall findet. Sie legen Wert auf ein handverlesenes Angebot, mit dem sie sich identifizieren können und das zu ihren Kunden passt: „‚Shades of Grey‘ haben wir nur zweimal verkauft.“
Bücher fühlen
Auch Diana Winkler sieht ihren Laden als „Sehhilfe für bemerkenswerte Bücher“. Im November vergangenen Jahres hat sie an der Innenen Klosterstraße das Monokel geöffnet, die „Buchhandlung für junge Leser“. Dabei stecke, wie sie sagt, viel von ihr in der Kinder- und Jugendbuchhandlung. So habe sie zum Beispiel nicht so gern Serien mit zu vielen Bänden im Angebot, da sie selbst kein Serientyp sei. Dennoch kann natürlich auch Winkler alles bestellen und sagt von ihrer Buchhandlung: „Sie entwickelt sich mit den Lesern.“ Das Angebot, von dem sie und ihre zwei Aushilfen fast jedes Buch gelesen haben, umfasse auch Bücher von Verlagen, die vorher in Chemnitz nicht verkauft worden seien, so Winkler. Sie lege Wert auf eine breite Auswahl. Dennoch hat alles Platz auf nur 37 Quadratmetern, für die sich Winkler bewusst entschieden hat, um näher am Kunden zu sei: „Wenn mich jemand fragt, wo er ein Buch finden kann, möchte ich ihn nicht nur in eine bestimmte Abteilung schicken, sondern ihm das Buch zeigen.“ Auch deshalb empfindet sie Onlineversender nicht als große Konkurrenz: „Die Leute kommen wegen der Beratung.“ Außerdem könne man im Netz nur schwer Entdeckungen machen, sondern finde nur, was man schon kenne: „Viele stehen hier im Laden und sagen: ‚Was haben Sie denn für Bücher, die hab ich ja noch nie gesehen.‘“ Auch wie sich ein Buch anfühlt sei beim Kauf von Kinderbüchern wichtig.
Schneller als Amazon
Auch Wenke Hemboldt möchte in ihrer Universitas-Buchhandlung eine breite Buch-Auswahl anbieten. Bestellungen im Internet findet sie für die Anwohner im Umkreis ihres Geschäfts überflüssig: „Wenn die Amazon-Pakete hier vorbei getragen werden, denke ich immer, das hättet ihr schneller haben können.“ Denn Bücher, die ein Einzelhändler gerade nicht vorrätig hat, können – bis spätestens 17.00 Uhr bestellt – am nächsten Morgen um neun bei ihm abgeholt werden. Hemboldt betreibt außerdem selbst einen Onlineshop, mit dem sie deutschlandweit liefert. Die Anforderungen an ihren Laden im Mensagebäude auf dem TU-Campus sind besondere, der Anteil der Fachliteratur ist recht hoch. Sie schafft es deshalb nicht, alle Bücher zu lesen, die sie verkauft. Und die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren geändert: 2010 ist die Universitas-Buchhandlung innerhalb des Mensagebäudes in einen kleineren Laden gezogen, weil die Anzahl der verkauften Fachbücher abgenommen habe. Als Grund sieht Hemboldt die Modularisierung des Studiums. Seit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge fehle den Studenten die Zeit, ganze Bücher zu lesen, vermutet sie.
Gemütliche Leseecken, Kundenberatung und freundliche Buchhändler, die keine Mühe scheuen, schwer zu beschaffende Bücher herauszusuchen und zu bestellen – so groß wie die Konkurrenz für Buchläden ist, so groß sind auch deren Vorteile. Schließlich bieten sie „Service bis zum Abwinken“, fasst Hemboldt zusammen. Und das genauso günstig, dafür schneller und persönlicher als im Internet mit der Möglichkeit jedes Buch anzufassen und anzulesen.
Text [&] Fotos: Julia Keller
Erschienen im 371 Stadtmagazin 12/12
* laut einer Umfrage im Auftrag der Unternehmensberatung Ernst und Young 2012