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Nina, Borschtsch und eine Diskokugel

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Ich habe schon immer eine gewisse Zuneigung gegenüber der russischen Mentalität verspürt. Zumindest die Lebensart, die ich mitbekomme und mitbekommen will.[nbsp]Manchmal sitze ich stundenlang vor meinem Computer und schaue mir Videos von jungen Russen an, die in abgeranzten Hinterhöfen, an nicht ganz vertrauensvoll wirkenden Seilen, von Hausdächern in die Tiefe springen. Bungee-Jumping auf osteuropäische Art.

Auch Fotos von russischen Rohbauten, bei denen Treppen ins Nichts führen, erheitern mich ungemein. Meine Begeisterung für dieses Land reicht sogar bis in die Küche. Während eines Spaziergangs über den Kaßberg lachen mich von einer verblichenen Werbetafel sonnengebleichte Pelmeni und Piroggen an. Ein Eisbär, der das Logo des russischen Imbiss „Berloga“ ziert, winkt mich mit seinen Tatzen in einen zwielichtig wirkenden Hinterhof. Die Fenster des gesamten Gebäudes sind vergittert, das sieht nicht einladend aus, aber wie sagt man so schön: Außen pfui, Innen hui.

Ich betrete den Raum und rufe ein freundliches Privjet in die Runde. Die Gesichter der zwei Frauen hinter der Bar bleiben ausdruckslos. Ich muss lachen, denn über den mürrisch dreinblickenden Bardamen hängen Fischköpfe, die mich dafür umso freundlicher angrinsen. Neben Pelmeni, Piroggen und Borschtsch bietet die Speisekarte auch Steak, Nudeln und sogar Dürüm. Außerdem steht hinter den zwei Frauen in einem Regal eine große Auswahl an Wodka und russischer Supermarktware. Borschtsch aus der Tüte zum Beispiel, damit wäre man der King auf jedem Festival. Direkt am Eingang steht ein Schrank gefüllt mit Büchern und DVDs. Warum das so ist, weiß ich nicht. Dieser Schrank vermittelt jedoch das Gefühl, in einem gemütlichen Wohnzimmer zu sitzen. An der Wand hängen eingerahmte Abzeichen und Briefmarken. Ein Fernseher und ein Spielautomat stehen sich gegenüber, dazwischen sogar ein Billardtisch.

Irgendwo in der Ecke klemmt zwischen Heizungsrohren ein Stück Geweih. Alle vier Wände sind mit einer Ziegeltapete dekoriert. Diese Tapete, nein der ganze Raum, ist der Inbegriff der Mentalität, die ich so liebe. Ein Lady Gaga Hit ertönt, als mir die Bedienung, eine ruppige Frau mit einer Schürze in den Farben Italiens, feinste russische Speisen serviert. Spasiba. Ich esse Teigtaschen mit Krautsalat, eingelegte Zwiebeln und Schmand. Dazu gibt es schwarzen Tee mit Zitrone, kostenlos. Mhm, es schmeckt vorzüglich. Lady Gaga singt weiter. Ich bin froh, dass ich keinen Wodka zu mir genommen habe, sonst würde ich schon längst auf dem Tisch tanzen. An der Decke hängt obendrein eine Diskokugel. Ich muss mich wirklich zügeln, die Tanzfläche nicht zu eröffnen, die Hits schreien danach und auch die Fischköpfe nicken schon im Takt.


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