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Die Galerie Rotlicht beschäftigt sich mit Themen die tabuisiert sind, bereits polarisiert haben und das auch weiterhin tun werden. Diese Diskurse finden aber oft noch abseits der allgemeinen Öffentlichkeit statt, weshalb die Redakteurin Katha von Sterni das offene Gespräch gesucht hat, und hier präsentiert, was sie erfahren hat.
Was bisher geschah…
Zum diesjährigen Kosmos-Festival im Juni eröffnete auf Initiative von Bella Vanilla - eine Beratungsstelle für Sexarbeiter:innen des Salute e.V. - die Galerie Rotlicht in der Karl-Liebknecht Straße 19. Inspiriert von den Theaterperformances über Tabuthemen der Sexualität, die 2021 durch das Projekt „microarts“ initiiert wurden, entstand die Idee, das Thema in Form einer Galerie mit wechselnden Ausstellungen und Diskussionsformaten dauerhaft künstlerisch zu transportieren.
Auf Instagram schreibt die Galerie: „Wir verstehen uns als Konzeptgalerie der sexuellen Vielfalt und haben das Ziel, kontroverse Kunst zu zeigen und Menschen ins Gespräch zu bringen. Wir orientieren uns am sexpositiven Feminismus und setzen uns für queere und diverse Kunst ein. Wir wollen mit Tabus und Vorurteilen brechen und eines Tages Sexualität zeigen können, die ganz selbstverständlich vielfältig ist.“
Bereits die erste Ausstellung von Fotograf Noctifux, welche zum diesjährigen Kosmos-Festival am 17. Juni eröffnet wurde, sorgte für Disput. Die Aktivist:innen der Initiative Catcalls of Chemnitz wendete sich über Instagram direkt an die Galerie und übten klare Kritik an der Auswahl des Künstlers. Seine Fotografie bilde unrealistischen, heteronormativen Sex ab, für den bezahlte Models abgelichtet werden, die alle normativen Schönheitsideale erfüllten. Cis-männliche heterosexuelle Perspektiven stünden damit mehr im Mittelpunkt als eine realistische Abbildung von Sexualität. Auch kritisieren sie, dass der Künstler antifeministische und sexistische Inhalte auf seinen Social-Media-Kanälen verbreite. Die Grundidee der Galerie hingegen unterstützt die Initiative sehr.
Es folgte ein konstruktiver Diskurs zwischen der Galerie und den Aktivist:innen, wobei die Galeriebetreiber:innen verdeutlichten, dass sie eine Ausstellung im Bereich Porn-Art, worin Noctifux Fotos verortet werden könne, für einen guten Einstieg in das Thema Sexarbeit hielten. Somit sollten auch ältere Generationen angesprochen werden, die stärkere Berührungsängste damit hätten.
Neugierig, wie genau es zu der Kooperation mit Noctifux kam und was genau hinter dem Fotografen steckt, nehme ich Kontakt zur Galerie auf. Ich erfahre, dass die ursprüngliche Idee der ersten Ausstellung war, Paare über ein Portal für Sextreffen zu akquirieren, die sich unentgeltlich in einem professionellen Setting fotografieren lassen und die Werke anschließend auszustellen. Das Ganze erwies sich jedoch[1] schwerer als gedacht, stattdessen meldete sich Hobbyfotograf Noctifux aus München über das Portal, welcher der Galerie unkompliziert und kostenfrei eine Auswahl aus mehreren hundert Fotografien bot. Zudem herrschte Zeitdruck, um pünktlich zum Kosmos Chemnitz Festival eröffnen zu können.
„Meine Bilder ergeben keinen Sinn, sie machen nur das schöner, was man auf Mainstream-Pornoseiten sieht“
Ich rufe Noctifux an, er ist gerade auf dem Weg zu einem Shooting in Belgien. Er erzählt mir, dass er seine Bilder rein hobbymäßig macht und dafür sehr viel Geld ausgibt. Beruflich investiert er in Start-Ups der Sex-Branche. Noctifux beschreibt seine Kunst als Reportage-Fotografie aus einer männlichen Perspektive. Die Darsteller:innen auf seinen Fotos arbeiten in der Sexbranche, meist als Pornodarsteller:innen oder im Escort-Bereich.
Er selbst bezeichnet sich als pansexuell und Hardcore-BDSMer. In seinen Fotos sagt er, hält er Lustmomente von Männern fest, seine eigenen sexuellen Vorlieben fließen dabei jedoch kaum in seine Bilder ein. Lediglich die Art und Weise wie er Bildbeschreibungen formuliere sei von seinen Vorlieben beeinflusst. „Die Bildbeschreibungen formuliere ich aus der Sicht einer Frau, ich schreibe dabei das, was ich mir denke, was mich als Mann anmachen würde in der jeweiligen Situation“. Noctifux Fotos werden von einer Szene gefeiert, die seine Vorlieben teilt. Auf dem einem sozialen Netzwerk für sexuelle Fetische hat er achtzigtausend Abonnent:innen.
Seine erste Ausstellung in Chemnitz beschreibt er als sehr positive Erfahrung, er selbst hätte nicht gedacht, dass er jemals etwas ausstellen würde. Besonders zum Nachdenken gebracht hätten ihn im Zuge seiner Ausstellung die Aktivist:innen von Catcalls of Chemnitz. „Die Gruppe Catcalls of Chemnitz hat mich dadurch, dass sie meine Kunst so stark abgelehnt hat, sehr beeinflusst, denn ich bin eigentlich jemand, der gefallen will. Die Anerkennung meiner Fotos über Soziale Medien hat mich dabei stark angetrieben. Ich habe in letzter Zeit aber immer stärker gemerkt, dass meine Fotos eigentlich Pseudo-Porno-Kunst sind und empfinde sie mittlerweile als richtigen Schrott und Geldverschwendung. Gerne hätte ich mich einmal persönlich mit den Aktivist:innen unterhalten, da ich aktuell an einer Ausstellung arbeite, die feministischen Verbänden und Initiativen wirklich eine Diskussionsplattform bieten könnte. Ich mache Fotos, die sexuellen und physischen Missbrauch von Menschen zeigen. Reale Szenen, die sich beispielsweise in Berliner Parks abspielen. Das Härteste, was man dahingehend als Fotograf festhalten kann. Ich habe das Geld dafür und bewege mich in einer gewaltsamen Sexszene – das möchte ich nutzen, um zu zeigen, was wirklich Sache ist – nicht, um zu gefallen.“
Unabhängig davon, welche Fotos wir zukünftig von Noctifux sehen werden und inwieweit diese dann dazu geeignet sind, Teil feministischer Debatten zu werden – die Galerie Rotlicht und der Diskurs um seine Ausstellung „Rough and Real“ in Chemnitz sorgen für Bewegung und mir fällt spontan nichts ein, was diese Stadt mehr braucht. Die Galerie ist auf dem Weg, ein Raum für alle zu sein, sich dem Thema Sexualität über die Sprache der Kunst nähern und das ist in jedem Fall ein Fortschritt für die Region.
Und wie geht es weiter in der Galerie?
Seit dem 07. Oktober ist dort eine Ausstellung von Künstler Marius Seidlitz zu sehen. Weiterhin planen die Galeriebetreiber:innen eine internationale Kooperation mit Sexarbeiter:innen aus Tschechien, auch Fachvorträge zum Thema Sexualität sollen perspektivisch in der Galerie stattfinden.
Text: Katha von Sterni | Foto: Galerie Rotlicht