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An den Hochschulen in Chemnitz, Zwickau, Mittweida und Freiberg studieren und arbeiten über 30.000 Menschen. Das „371“ will wissen, was dort so alles erforscht wird. Notwendig oder unsinnig, interessant oder einfach schräg - hier erfahrt ihr, was Forscher so forschen.
Eine knapp zwei Kilogramm schwere Kofferbombe sorgte Pfingsten 2003 für Aufregung auf dem Dresdner Hauptbahnhof. Im letzten Moment konnten Spezialkräfte des Bundesgrenzschutzes eine Explosion verhindern. Vom Täter fehlte jede Spur. Monatelang tappten die Ermittler im Dunkeln - bis das LKA Sachsen die Steinchen, die man im Bombenkoffer fand, genauer unter die Lupe nahm.
Nur wenige wissen mehr über Steine als Jens Götze, Professor für technische Mineralogie an der der Bergakademie Freiberg. Anfang Februar schulten er und sein Kollege Axel Renno 18 kriminaltechnische Sachverständige aus drei Ländern bei dem fünftägigen Workshop „Bodenuntersuchungen“ am Institut für Mineralogie der TU Bergakademie Freiberg. „Gesteinsproben können uns wichtige Hinweise auf den Täter geben“, sagt Götze. Dabei reichen oft kleine Steinchen, um den Tathergang zu rekonstruieren. Hier stehe vor allem eine Frage im Zentrum: Was verrät das Gestein darüber, wo der Täter gewesen ist? Genau diese Frage überführte auch den Dresdner Kofferbomber. Denn die Steinchen aus dem Bomben-Koffer konnten einem Steinbruch im Vogtland zugeordnet werden. Dadurch ließ sich also die Region eingrenzen, aus der der vermeintliche Verbrecher kam.
Auf dem Schreibtisch des forensischen Sachverständigen des LKA-Sachsen, Michael Münch, landen jeden Monat bis zu 300 Gesteinsproben, die bei Verbrechen sichergestellt wurden. Die Palette der begangene Straftaten reicht von Diebstahl bis Mord. „Die Untersuchung von Bodenproben geben uns wichtige Hinweise, wo ein Verdächtiger gewesen ist“, erklärt Münch. Selten führe zwar allein die Gesteinsprobe zum Täter, sei aber in den meisten Fällen ein wichtiger Hinweis. Ähnlich beim Dresdner Bombenfall: Die Steinchen aus dem Koffer waren nicht das einzige, dafür aber wahrscheinlich das entscheidende Beweisstück. Und: Mit den Gesteinsproben konnte die Zeit der Ermittlungen verkürzt werden. „Das spart wiederum Steuergelder“, sagt Münch.
„Kenntnisse von Gesteinen und ihren Vorkommen in Deutschland sind für einen guten Sachverständigen unentbehrlich“, sagt Götze. Dabei ähnle sich die Denkweise von Kriminalwissenschaftlern und Kriminologen sehr - beide suchen Spuren im Gelände und stellen anschließen die Frage, woher das Material stammt. An der Freiberger Uni lernen die Sachverständigen unter anderem, wie sie Gesteine, die kleiner als ein Millimeter sind, analysieren können. Ein neuer Workshop sei bereits in Planung. Dieser soll dann noch praxislastiger sein. Was konkret heißt, dass die Wissenschaftler und die Sachverständigen Steine in ihrer „freien Wildbahn“ untersuchen werden. „Bei Kriminalfällen begutachten wir ja auch keine glattpolierten Steine“, sagt der forensische Sachverständige Münch.[nbsp]
Text: Alex Dinger Foto: Eckardt Mildner
Erschienen im 371 Stadtmagazin 03/10