⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Ode an den alten Rewe

Veröffentlicht am:

Es gibt Dinge, die ändern sich in Chemnitz nie. OB Sven Schulze zum Beispiel. Oder die nach Pisse riechenden Aufzüge am Chemnitzer Bahnhof. Dann gibt es jedoch den Rewe. Ja richtig gehört, der schäbige Wall-Rewe, der wahrscheinlich den Umzug des Jahrtausends hingelegt hat und das angesüffte, nach Desperados riechende, Antlitz gegen einen modernen Vorzeigeinnenstadtneubau eingetauscht hat. Doch wie sieht es hinter den gläsernen Türen des neuen Rewe aus? Eine Bestandsaufnahme von Ottilie Wied.

Den alte Rewe und ich eint eine lange Geschichte. Schon auf dem Heimweg nach der Schule führte mich mein Weg oft hier vorbei und natürlich auch hinein, wo ich mein Geld dann für Snacks und Spaßgetränke jeglicher Art auf den Kopf stellte. Während meiner Jugend wurde der Rewe dann zum Einkaufsspot Nummer eins, wenn man sich mal wieder an der Disziplin des Kaltgetränke zurück ins Fass zu pressen versuchte. Man wurde ja meist eh nicht kontrolliert. Es hatte auf eine weirde Art etwas heimeliges, hier zu sein. Man kannte die Kassierer, wusste, wo alle geläufigen Produkte stehen und lange Schlangen zum Freitag Abend hatte man hier schon als gottgegeben hingenommen. Doch seit kurzem hat sich das Verhältnis zu mir und meinem Rewe verändert - denn meinen alten Rewe gibt es so nicht mehr.

Als Grund für den Umzug der Filiale nennt die Rewe Group, die begrenzte Verkaufsfläche, welche den mit Blick auf das gewachsene Sortiment den zeitgemäßen Ansprüchen nicht mehr entspreche. Auch erhoffe man sich laut Angaben der Freien Presse einen höheren durchschnittlichen Einkaufswert pro Kunde. Ob eine flotte Tiefgarage und das vermeintlich gehobene Umfeld hierzu beitragen, bleibt fraglich. Die Einkaufenden sind meiner Beobachtung nach eher die gleichen geblieben.

Vom sportlichen Öko-Dad, der seinen Einkauf barfuß bestreitet, bis hin zum Urzeitfascho oder Yuppies, die sich vom Weinfest angeschwipst in den neuartigen Lebensmitteltempel verirren ist die Bandbreite der Menschen, die hier einkaufen sehr groß - und soziodemografisch auch nicht anders als Am Wall.

Auch ich traue mich hinein und lasse mich ein auf die neue Erfahrung. Alles wirkt geräumiger und edler, fast schon zu edel für einen Supermarkt in der Chemnitzer Innenstadt. Nachdem ich mir alles zusammengesucht habe und dem vermeintlichen Traum von SB-Kassen entgegen schwebe, werde ich schnell wieder auf den dunkel gefliesten Boden der Tatsachen geholt - denn diese sind im Getümmel des Abends geschlossen. Was mir auch nicht zum ersten Mal an einem rammelvollen Abend hier passiert. Ein Blick aufs Telefon soll mir die Zeit des an der Kasse stehens vesüßen, doch Empfang sucht man in dem Betonbunker hier vergebens.

Nach 10 Minuten an der Kasse stehen und vielen alkoholischen Getränken, die vor mir ihren Weg auf Kassenband finden, verlasse ich den neuen Rewe. Dass der Slogan von Rewe Dein Markt. ist, erscheint mir heute besonders süffisant. Es ist definitiv nicht mehr das gleiche Erlebnis wie am Wall, die charakteristische Würze ist verloren gegangen und auch die vielen Securitys sorgen nicht unbedingt für ein massiv ausgeprägtes Sicherheitsgefühl, was man sich wahrscheinlich damit erhofft. Mein Markt ist das Status Quo jedenfalls nicht.

Text & Foto: Ottilie Wied

Zurück