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Randsportart ist zum Glück ein recht dehnbarer Begriff, sonst könnten wir uns dieser sportlichen Betätigung nicht widmen. Nicht etwa, weil sie bekannt, geliebt und en masse gespielt wird, sondern weil sie im eigentlichen Sinne gar keine Sportart ist. Die Anhänger und Betreiber von Parkour verstehen ihre Aktivitäten eher als eine Mischung aus Kunst und Philosophie.
„Die effiziente Fortbewegung von Punkt A nach Punkt B“, so umschreibt Ronny Döring von der Gruppe Parkour Chemnitz das, was er und seine Freunde zelebrieren. Sie überspringen Mauern, klettern Wände hoch, balancieren auf schmalen Vorsprüngen – das Alles ohne Sicherung. Es geht darum, seine Ängste zu bekämpfen, Grenzen, im mentalen und physischen Sinne, zu überwinden und neue Wege zu gehen. Offizielle Regeln gibt es nicht, philosophische Grundsätze dagegen schon. Wettkampf führt zu Verletzungen und spielt im Parkour deswegen keine Rolle. Sicherheit hat Priorität, Sprünge, Kletter- oder Balanceeinlagen soll nur durchführen, wer sich seiner Sache zu hundert Prozent sicher ist. Außerdem macht man Parkour nur für sich selbst, Schaulaufen für andere ist verpönt.
Die Ursprünge von Parkour reichen angeblich bis in den Vietnamkrieg zurück. Um eine Chance gegen die einheimischen Kämpfer zu haben, mussten ausländische Soldaten schnell durch den Dschungel kommen und Hindernisse aller Art überwinden. Einer der Vietnamsoldaten brachte seinem Sohn, David Belle, die Techniken bei. Als die Familie in einen Pariser Vorort zog, so die Geschichte, tauschte dieser einfach städtische Architektur gegen die Natur, statt über Bäume und Bäche sprang er nun über Treppen und Papierkörbe. Belle gilt als der Begründer des Parkour. Heute kann es prinzipiell jeder lernen, gut trainierte Armmuskeln sind aber so etwas wie eine Minimalvoraussetzung. Die kann man sich aber auch beim Training mit der Gruppe Parkour Chemnitz, die Ronny Döring 2006 ins Leben rief, antrainieren. In unregelmäßigen Abständen bieten zudem Workshops die Möglichkeit Techniken zu erweitern.[nbsp]
Vom Einfach-mal-ausprobieren rät Döring dagegen ab: „Das geht meistens schief. Man sollte sich Leute suchen, die die Techniken erklären können.“ Trotz waghalsiger Sprünge und fehlender Schutzbekleidung sei die Verletzungsgefahr geringer als beim Fußball. Bis auf ein paar Blessuren und Hautabschürfungen haben die Parkourer aus Chemnitz bisher keine schweren Schäden davon getragen. Entscheidend sei aber vor allem die Vernunft jedes Einzelnen.
Auf ihrer Suche nach immer neuen Hindernissen springen die Chemnitzer „Kunstphilosophen“ zuweilen auch über Hausdächer und Garagen. Unüberwindbare Grenzen werden ihnen dabei am ehesten von Behörden gesetzt: Bei einer Parkour-Einlage nahe des Günnewig-Hotels war die Polizei sofort zur Stelle – sie hielt die Parkourer für Einbrecher. Ansonsten würden sich vor allem Anwohner und Passanten beschweren, ab und an seien die aber auch einfach nur neugierig, berichtet Felix Brinkel: „Wir hatten auch schon einen 50-jährigen, der dann versucht hat, die Mauer mit hoch zu rennen.“
Teil 3: "Randsportarten in Chemnitz" gibt es hier: klick!
Text / Foto: Benjamin Lummer
Erschienen im 371 Stadtmagazin 06/10