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Shakespeare oder Kafka, das ist hier die Frage

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Der Spielplan des Theater Chemnitz ist momentan verheißungsvoller denn je. Stücke, wie Alice im Wunderland, Jugend ohne Gott oder Dürrenmatts Physiker feiern in der aktuellen Spielzeit Premiere und setzen damit neue Standards für ein junges Publikum, welches man in den heiligen Hallen des Spinnbaus erwarten will. 371-Autorin Ottilie Wied sprach mit Schauspieldirektor Carsten Knödler.

Seit März dieses Jahres bespielt das Theater Chemnitz aufgrund von Sanierungsarbeiten vorerst nicht mehr das Schauspielhaus, sondern die Gemäuer des ehemaligen VEB Spinnereimaschinenbaus. Die Interimsspielstätte wurde aufwändig ertüchtigt und verbindet Kultur mit dem Industriecharme vergangener Zeit. Lange bevor die Räumlichkeiten mit neuesten Scheinwerfern und weiterer Bühnentechnik ausgestattet wurden, herrschte in weiten Teilen des Gebäudes Stillstand. Zwar befand sich die Boulderlounge lange in dem Gebäude sowie andere Büro- und Lagerflächen, kulturell war es jedoch eher mau.

Verstecken muss sich der Spinnereimaschinenbau und sein Ambiente jedoch absolut nicht. Insbesondere die kleineren Spielstätten mit ihren eigenen Foyers wirken sehr attraktiv auf die Zuschauer:innen, „da alles intimer und weiträumig zugleich ist“, so Carsten Knödler. Auch hinter der Bühne wird es kuscheliger, da speziell die Deckenhöhe dafür sorgt, „dass man nicht im klassischen Theatersinne zaubern kann“. Kulissen, die üblicherweise ihren Weg von oben auf die Bühne fanden, kommen nun über Umwege von der Seite. Geübten Theaterbesucher:innen dürften solche Feinheiten auffallen, vermisst werden sollte jedoch nichts.

Genau an diesem Punkt sehe ich sehr viel Potenzial, stärker in das Bewusstsein einer besonders jüngeren Zuschauerschaft zu rücken. Der Erfindungsgeist hinter der Bühne erschafft frische und ausgeklügelte Stücke, die zum Beobachten und Eindrücke sammeln einladen. Aufgrund des vollumfänglichen Spielplans ist es aktuell recht leicht auf Stücke zu stoßen, die einen nachhaltig interessieren. Hier ein kleiner Vorgeschmack:

Mit dem Kinderbuchklassiker Alice im Wunderland dürfte womöglich jeder etwas anfangen können. Ich meine, wer mag keine weißen Kaninchen und verrückte Hutmacher? Auch Weltliteraturhits, wie der Sommernachtstraum, Die Physiker oder In der Strafkolonie finden ihren Weg auf die Bühnen Chemnitz’. Selbst Pflanzenliebhaber:innen werden mit dem Stück Der kleine Horrorladen, welcher im Mai Premiere feiert, nicht im Stich gelassen. Das Musical erzählt von einem Blumenladen, in einer Gegend vergleichbar mit dem Sonnenberg, welchem aufgrund eines blutrünstigen Pflänzchens die Ladentür eingerannt wird, wie dem Aldi um die Ecke, wenn mal wieder Ben & Jerrys im Angebot ist.

Obendrein senkt der Spinnbau, als aktuelle Austragungsstätte, in meinen Augen die Hemmschwelle, das Theater als junger Mensch von innen zu beschnuppern. Der Spinnereimaschinenbau als ehemaliges Fabrikgebäude wirkt auf junge Leute frischer und urbaner als im direkten Vergleich das Schauspielhaus, welches in manchen Köpfen womöglich den Geruch von Rheumasalbe hervorruft. Grundlegend fußt die herrschende Hemmschwelle auf diversen Voreingenommenheiten, die man im Zusammenhang mit dem Theater als Kulturstätte hat. Zum Teil sind diese nicht so weit hergeholt: wie Carsten Knödler mir bestätigt, spielte er zu seiner Zeit als Schauspieler am Theater Chemnitz häufig Vorstellung für Menschen jenseits der 70. Dennoch ist dies absolut nicht mehr repräsentativ, da der Altersdurchschnitt mittlerweile deutlich durchwachsener ist, so auch Knödlers subjektive Wahrnehmung. Aktuelle Erhebungen seitens des Theaters gibt es dazu leider nicht.

Theater ist unterm Strich genau das, was wir daraus machen. Es ist ein Ort für gesellschaftlichen Austausch live und in Echtzeit und gerade in dieser Form etwas sehr Rares. Es ist ein Ort, der uns die wahren und ehrlichen Reaktionen unserer Sitznachbarn offenbart und uns Einblicke in die Köpfe vieler gibt. In der Hauptsache ist es jedoch ein Ort, der uns voneinander lernen lässt und dadurch Horizonte aufzeigt, die weit über den Bühnenrand hinausgehen. Und das für jede Altersklasse.

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