⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Anzeige
Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Stolpern gegen das Vergessen

Kunstprojekt

Veröffentlicht am:

Es ist nicht gerade ein leichtes Thema, mit dem sich Enrico Hilbert beschäftigt: der 30-Jährige ist einer der Mitinitiatoren der Chemnitzer Aktion „Stolperstein“.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, der seit 1995 so in ganz Deutschland auf die Verfolgten des Nationalsozialismus hinweisen möchte. Dabei werden 10 cm große Messing-Gedenkplatten vor den Häusern der Verfolgten, Deportierten oder Ermordeten auf dem Fußboden angebracht.
Die Idee, diese Aktion auch nach Chemnitz zu holen, kam vom Verband der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten e. V., dessen Vorsitzender Enrico Hilbert seit April diesen Jahres ist. „Wir wollen an die Menschen erinnern, die mitten unter uns in Chemnitz gelebt haben und die durch den Nationalsozialismus gelitten haben. Sie alle sollen aus der Vergessenheit gerissen werden“ verdeutlicht Enrico Hilbert die Ziele dieses Projekts. Am 6. Juli von 13 bis 16 Uhr sollen nun die ersten Stolpersteine, die durch Spenden finanziert wurden, in Chemnitz verlegt werden. Auf ihnen sind der Name sowie das Geburts- und Todesdatum dessen eingraviert, der nicht vergessen werden soll. [nbsp]

„Doch nicht nur weil man Jude war, wurde man unter den Nationalsozialisten gedehmütigt, deportiert und letzten Endes ermordet“ stellt Enrico Hilbert klar. „Unter anderem auch aus politischen Gründen, weil man körperlich oder geistig behindert war, als „asozial“ galt oder einer der nichtangepassten Kirchen angehörte, wurde man verfolgt.“

Ein Schicksal aus Chemnitz ist Justin Sonder, der als einer der wenigen Juden in Chemnitz den Nationalsozialismus überlebt hat. Mit 16 Jahren kam er zuerst in ein Zwangsarbeitslager und später nach Auschwitz, genau wie seine Eltern. Seine Mutter jedoch, die zuvor im Chemnitzer Judenhaus auf der Zschopauer Straße 74 gelebt hatte, überlebte das KZ nicht. Und so wird auch ihr eine der ersten Stolperstein-Plaketten gewidmet werden.

Der Chemnitzer Enrico Hilbert setzt sich als Mitglied des VVN-BdA e.V. bereits seit 1993 gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Greueltaten ein. Er selbst beobachtete in seiner Jugend immer mehr das Erstarken antidemokratischer Züge in unserer Gesellschaft und wollte sich daher über das normale Maß engagieren. Er sieht den Antifaschismus eher als „gelebte Demokratie“: „Ich würde mich freuen, wenn die Menschen mit mehr Respekt und Würde miteinander umgehen.“ Seiner Meinung nach versuchten gerade die Verfolgten und Widerständlern diese Werte zu leben, da sie durch ihre Erfahrungen mit Krieg und Verfolgung geprägt wurden. Und so setzt sich Enrico Hilbert in seiner knappen Freizeit, die ihm neben seiner Arbeit als Krankenpfleger bleibt, immer wieder gegen rechtsradikale Tendenzen und das Vergessen ein. Er führt zum Beispiel Schulklassen durch die Gedenkstätte Buchenwald, organisiert Jugendprojekte und arbeitet an mehreren historischen Büchern mit.

Und Enrico Hilbert hofft natürlich, dass in den nächsten Jahren noch mehr Stolpersteine die Stadt füllen werden und die Chemnitzer nicht nicht achtlos an ihnen vorüber gehen. kw

Aktion Stolpersteine: www.stolpersteine.com
Text [&] Foto: Kathy Welz

BT: Enrico Hilbert zeigt, wie ein Stolperstein aussehen wird.

Erschienen im 371 Stadtmagazin 07/07

Zurück