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Crystal Meth, Ice, Crank, Yaba oder einfach nur C. Schon seit mehreren Jahren kursieren allerlei Berichte und wilde Geschichten über und um die Droge. Vor allem Bundesländern nahe der tschechischen Grenze wird ein sehr hoher Crystalkonsum nachgesagt.
Der Leiter der Suchtberatung- und Behandlungsstelle Chemnitz, Andreas Rothe, ist in seinem Element, wenn er über Crystal Meth redet. „C ist längst nicht mehr nur ein lokales Thema. Mittlerweile bekommen wir Anfragen aus dem Ruhrpott die sich seit kurzem mit dem Crystal-Problem konfrontiert sehen. Der restliche Freistaat Sachsen und auch Bayern stehen schon länger vor schlimmeren Verhältnissen.“ Von 844 Klienten der Suchtberatung sind 395 der Betroffenen wegen des Konsums von Methamphetamin in Behandlung. Was hat es also auf sich mit dieser Droge, die in Chemnitz ein größeres Problem darstellt als alle anderen artverwandten Partydrogen zusammen? „Vor zwei bis drei Jahren hätte ich noch gesagt: C ist eine Partydroge.“ so Rothe. „Das glaube ich inzwischen nicht mehr. Mittlerweile ist es das Heroin oder das Gras für alle geworden.“ Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit der kristallinen Droge und ist besorgt über die Entwicklung. Als er seinen Job angetreten hat, wäre Crystal eher ein Nischenproblem gewesen. „Früher gab es nur vereinzelte Fälle hier in Chemnitz als Partydroge. Heute ist C Thema Nummer 1, weit vor Cannabis und Heroin. Es kommt dem Alkohol gleich.“
Von der Panzerschokolade zur Partydroge
Dabei existiert Methamphetamin in seiner chemischen Zusammensetzung schon mehr als 100 Jahre. Im ausklingendem 19. Jahrhundert wird die Droge zum ersten Mal, von einem japanischen Chemiker, synthetisiert. Nach weiterer Forschung in deutschen Laboren kam das Arzneimittel „Pervitin“ 1938 auf den Markt und blieb auch da bis 1988. Im zweiten Weltkrieg wurde es deutschen Soldaten als „Panzerschokolade“ oder „Stuka-Tabletten“ verabreicht, um Schmerz- und Angstgefühle zu beseitigen und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Der Hauptwirkstoff „Ephedrin“ wurde nach 1945 weiterhin als Dopingmittel im Leistungssport eingesetzt.
Er ist relativ einfach zu beschaffen und damit wohl auch ein Grund für die explosionsartige Verbreitung von Chrystal Meth. Handelsübliche Erkältungsmedikamente enthalten bis heute „Ephedrin“ und „Pseudoephedrin“. Laut der Polizeistatistik von 2010, ist die Selbstherstellung in heimischen, sogenannten Küchen zwar rückläufig, trotzdem wurden mehr als 400 Gramm sichergestellt und wahrscheinlich sehr viel mehr in Umlauf gebracht.
Der Gelegenheitskonsument Rudolf* kennt die restlichen Wege, die das Methamphetamin zurücklegt. „In Tschechien ist es überhaupt kein Problem C zu kaufen. Es ist nicht mal notwendig einen Dealer zu kennen. Fast schon so, als würden man es zu seiner Stange Zigaretten und den Oblaten dazu bekommen.“ Selbstverständlich ist das übertrieben. Aber für den Preis von 40 Euro pro Gramm in Tschechien kann sich ein Konsument einen netten Nebenerwerb aufbauen, wenn er es auf der anderen Seite der Grenze für 80 Euro pro Gramm weiterverkauft. So zumindest der Straßenwert laut Statistik der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge für 2010. Laut den Schilderungen von Rudolf finanzieren sich tatsächlich sehr viele Dauerkonsumenten so ihre Sucht.
Panik, Stress und schlechte Zähne
Methamphetamin weißt viele Vorzüge gegenüber ähnlichen Drogen auf: Eine stärkere Wirkung als Kokain und Speed, im Vergleich ist es wiederum günstiger und ergiebiger. Es steigert das Befinden, die Leistungsfähigkeit und ermöglicht den Konsumenten stundenlang zu tanzen, enthemmter zu reden und Sex zu haben. Aber die Neben- und Langzeitwirkung sind verheerend. Über Schädigungen der Zähne und Hautentzündungen hinzu Panikattacken, einem gesteigertem Aggressionspotenzial oder Depressionen. Auch Hirnblutungen und Schlaganfälle wurden berichtet. Zusätzlich besitzt es ein sehr hohes Suchtpotenzial. So hoch das sich der Bundesgerichtshof in einer Pressemitteilung aus dem Jahre 2008 gegen die Gleichstellung mit anderen Designerdrogen und[nbsp] Amphetaminderivaten aussprach. Die Wirkung und Gefährlichkeit von Methamphetamin entspreche eher der Kokainzubereitung „Crack“.
Vor allem das gesteigerte Aggressionspotenzial unterscheidet Crystalkonsumenten von den Nutzern anderer Partydrogen. Auch in Chemnitzer Clubs ist das Problem bekannt. Mehrere Veranstalter berichten 371 gegenüber von einer strikten Tür-Politik. „Wir lassen offensichtlich „verstrahlte“ Besucher gar nicht erst in den Club oder schmeißen sie gleich wieder raus“ berichtet Wolfgang Drehmer*, Initiator und DJ einer regelmäßigen Partyreihe. „Wer ein oder zweimal weggeschickt wurde, kommt meistens auch nicht wieder. Aber das ist wirklich eher die Ausnahme.“ Auch Ben Müller*, ebenfalls DJ und Veranstalter, sieht eher eine abnehmende Tendenz. Er habe eher den Eindruck, dass die Aufklärung und die negative Berichterstattung über gepanschte Drogen aus Tschechien viele Leute abgeschreckt hätten.
Angekommen im Alltag?
Vielleicht hat die Crystal-Welle ihren Zenit also bereits überschritten, statistisch wird das erst in einiger Zeit beschrieben werden können. Andreas Rothe von der Suchtberatung sieht aber schon jetzt eine Änderung in der Art des Konsums „Den typischen Süchtigen gibt es schon lange nicht mehr. Vor einem knappen Jahr konnte man die Konsumenten schon anhand ihrer Optik dem jeweiligen Klientel zuordnen. Heute habe ich den Eindruck, als wäre es zu einer Alltagsdroge geworden.“ Crystal ist nicht länger die düstere Hakke- und Schranzdroge, die sie einmal war. Viel mehr hält C Einzug in allen erdenklichen Kreisen. Als leistungssteigernde Droge wird es ebenso von Handwerkern auf Montage konsumiert wie von Studenten, die nächtelang für eine Prüfung lernen. „Nicht umsonst nennt man es auch das Kokain des kleinen Mannes“ sagt Rothe.
Text: Florian Harlass Foto: photocase.com / dye
* Name von der Redaktion geändert